Vertrauensschadenversicherung und D&O-Versicherung: Gehen Sie Hand in Hand?

Beim vorliegenden Sachverhalt haben die Versicherungsnehmerin (VN) bzw. deren Insolvenzverwalter und die in dem Schadenfall involvierten Vorstände bereits deckungsrechtlich mehrfach die Gerichte beschäftigt. Nachdem zunächst der D&O-Versicherer aus München erfolglos verklagt wurde (OLG München, Urteil v. 13.09.2017, Az. 7 U 4126/13, s.u.), sollte jetzt der VSV-Versicherer aus Düsseldorf eintrittspflichtig sein (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.09.2018,  4 U 101/17).

Kurzum – worum geht es?
Zwei ehemalige Vorstände sowie zwei ehemalige Prokuristen werden wegen der Planung eines konkurrierenden Emissionshauses und der Abwerbung von Mitarbeitern auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Dabei haben sie auch das Organisationshandbuch und die Vertriebspartnerliste der VN mitgenommen.

Das mögliche Zusammenspiel von Vertrauensschadenversicherung und D&O-Versicherung ist aus diversen Schadenszenarien bekannt, insbesondere wenn der VSV-Versicherer z.B. eine grob fahrlässige Herbeiführung des Schadenfalls nach § 81 VVG  durch Organisationsmängel bei der VN ins Feld führt und den Leistungsanspruch reduziert und anschließend der nicht erstattete Schaden dann als Organisationsverschulden im Rahmen einer Pflichtverletzung gegen ein dafür verantwortliches Organmitglied der VN und dem sie schützenden D&O-Versicherer geltend gemacht wird.

Hier lag das Zusammenspiel aber anders.
Der D&O-Versicherer verneinte die Deckung, weil das pflichtwidrige Abwerben von Mitarbeitern als „gelegentliche Tätigkeit“ und nicht bei Ausübung der Tätigkeit für die VN angesehen wurde und damit nicht unter den Gegenstand der Versicherung falle. Viele Stimmen kritisierten die Entscheidung aus dogmatischer Sicht, weil die Versagung des Versicherungsschutzes nicht bereits in der Definition des versicherten Gegenstandes hätte erfolgen dürfen, sondern durch eine Qualifizierung als ausgeschlossene wissentliche Pflichtverletzung.

Dadurch lag es natürlich auf der Hand, dass eine Vertrauensschadenversicherung bei einer vorsätzlichen Schädigung durch Vertrauenspersonen mögliche Schadenpositionen der VN ausgleichen müsste. So machte die VN bzw. der Insolvenzverwalter im Rahmen der Eigenschadenversicherung u.a. einen Schaden wegen der unerlaubten Entwendung des Organisationshandbuches und der Vertriebspartnerliste geltend. Durch die Deckungsablehnung des VSV-Versicherers kam es zu der für diese Versicherungssparte seltenen Situation einer öffentlich bekanntgewordenen Deckungsklage.
Neben Beweisproblemen scheiterte der Anspruch aber vor allem an der Einschlägigkeit des gängigen Ausschlusses für Schäden, die durch Verlust oder Verrat von Geschäftsgeheimnissen entstehen. Zudem werden typischerweise nur unmittelbare Schäden versichert. Der Kläger berief sich darauf, dass der Unternehmenswert durch den Weggang der abgeworbenen Schlüsselmitarbeiter verringert worden sei. Das OLG Düsseldorf stellte bei den Kündigungen der Mitarbeiter auf deren individuelle Willensentschlüsse und nicht auf die Einwirkungshandlungen der abwerbenden Kollegen ab.

Das Urteil zeigt allerdings wieder das typische und bisher nicht gelöste Dilemma der VSV auf, dass durch die Verwendung der nicht klar abgrenzbaren Begriffe „unmittelbarer Schaden“ (versichert) und „mittelbarer Schaden“ (nicht versichert) nicht ohne Weiteres erkennbar ist, was im konkreten Schadenfall versichert ist oder nicht. Eine anerkannte Definition des Begriffs „mittelbarer Schaden“ gibt es nicht (siehe auch Im Dickicht der Vertrauensschadenversicherung), sodass das Gericht dessen Inhalt im Wege der Auslegung des Vertrages und der in Rede stehenden Haftungsbegrenzungsklausel ermitteln musste. Dabei kam es zu folgenden Ergebnis: Der Verlust von Arbeitskräften und Know-How, den das Unternehmen erlitten hat, und der beispielsweise zu Ausgaben für Headhunter etc. führt, ist ein unmittelbarer Schaden, während Auswirkungen auf den Wert des Unternehmens lediglich mittelbarer Natur sind (Rz. 46).

Das gefundene Ergebnis ist zutreffend, aber der Weg dahin, nicht befriedigend. Die Verwendung von unbestimmten Begriffen wie „mittelbar“ und „unmittelbar“ mag zwar systematisch erforderlich sein, sie führt aber zur Ungewissheit und der erst ex-post zu klärenden Frage, ob der ursprünglich eingekaufte Versicherungsschutz auch das hält, was einem verkauft wurde oder man meint gekauft zu haben. Muss man erst den gerichtlichen Instanzenzug abwarten, um als Versicherungsnehmer Klarheit zu erlangen? Letztlich kann die Versicherungswirtschaft hier nur dadurch für ein erhöhtes Niveau an Klarheit sorgen, indem möglichst viele Schadenszenarien als Beispiele in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufgenommen werden, um die angestrebte Abgrenzung zwischen mittelbarem und unmittelbarem Schaden mit Leben zu füllen.

Vertrauensschadenversicherung und D&O-Versicherung können sich im Schadenfall ergänzen – sie können sich aber auch gegenseitig wie Plus und Minus abstoßen.