Der BGH (Urteil vom 10.02.2022, Az.: 3 StR 329/21) stellt klar, dass die im Zivilrecht anerkannte Business Judgment Rule auch im Strafrecht zur Beurteilung der Managerhaftung Anwendung findet.

Dem Vorstand einer Aktiengesellschaft bei der Leitung der Geschäfte eines Unternehmens muss ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist.

Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Inkaufnahme der Gefahr, bei der wirtschaftlichen Betätigung Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu unterliegen. Eine Pflichtverletzung liegt erst dann vor, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt wird oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Diese zum Aktienrecht entwickelten, mittlerweile als sog. Business Judgement Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifizierten Grundsätze sind auch Maßstab für das Vorliegen einer Pflichtverletzung im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB (s. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, BGHSt 61, 48 Rn. 57 mwN).

Eine Entscheidung auf unzulänglicher Tatsachengrundlage kann eine solche Pflichtverletzung indizieren. Diese ist letztlich nur dann zu bejahen, wenn ein schlechthin unvertretbares Vorstandshandeln vorliegt; der Leitungsfehler muss sich auch einem Außenstehenden förmlich aufdrängen (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 – 3 StR 403/19, wistra 2021, 324 Rn. 24 mwN).

Das Zusammenspiel von § 93 Abs. 1 AktG und § 266 StGB hatte auch bereits der BGH in Strafsachen 2016 herausgearbeitet, allerdings mit einer durchaus umstrittenen Entscheidung (BGH, Urteil vom 12.10.2016 (Az.: 5 StR 134/15). Danach ist ein Verstoß gegen § 93 Abs. 1 S. 1 AktG stets eine „gravierende“ bzw. „evidente“ Pflichtverletzung zum Untreuetatbestand.

Sind jedoch diese in § 93 Abs. 1 AktG normierten äußersten Grenzen unternehmerischen Ermessens überschritten und ist damit eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Unternehmen verletzt worden, so liegt eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, die gleichsam automatisch so gravierend sind, dass die zugleich eine Pflichtverletzung im Sinne von § 266 StGB begründet.