Wenn in Deutschland vor vor circa 25 Jahren ein Managerhaftungsfall eintrat, suchte das geschädigte Unternehmen in der Regel nach einem dafür verantwortlichen Mitglied der Geschäftsführung und nahm dieses für den verursachten Schaden in Anspruch. Ziel war es letztlich, dass der Schaden von der D&O-Versicherung übernommen wird. Dieses Vorgehen ist legitim – und auch Sinn und Zweck der D&O-Versicherung. Denn diese schützt unter anderem die Bilanz des Versicherungsnehmers. Die Abwicklung von D&O-Schadensfällen ist jedoch inzwischen komplexer geworden und erfordert ein strukturiertes Vorgehen.
D&O-Versicherung als Bilanzschutz
Es ist allgemein bekannt, dass die D&O-Versicherung auch dem Bilanzschutz dient. Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass der versicherte Bilanzschutz ein steuerrechtliches Kriterium für die Einstufung der D&O-Versicherungsprämie als Betriebsausgabe ist. Seit 2002 gilt bundeseinheitlich (BMF – Schreiben vom 24.1.2002 (AZ IV C 5- S 2332- 8/02)), dass Beiträge zu D&O-Versicherungen keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen, wenn die Versicherung im überwiegend eigenen Interesse des Arbeitgebers erfolgt. Dazu müssen unter anderem folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Das Management muss als Ganzes versichert sein. Es darf kein Versicherungsschutz für einzelne Personen in Betracht kommen.
- Bei der D&O-Versicherung muss es sich um eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung handeln, die in erster Linie das Unternehmen oder den Unternehmenswert vor Schadenersatzansprüchen Dritter gegen das Unternehmen schützt (Bilanzschutz).
- Die Versicherungssummen sind höher als typischerweise das Privatvermögen.
- Basis für die Kalkulation der Versicherungsprämien dürfen nicht die individuellen Merkmale der versicherten Organmitglieder sein, sondern die Betriebsdaten des Unternehmens.
Selbst diese Kriterien, die vor mehr als 20 Jahren entwickelt wurden, wiesen bereits eine gewisse Tendenz zur Komplexität auf.
Daher eine kurze Anmerkung zur Kalkulationsgrundlage der Versicherungsprämien:
Im deutschen D&O-Versicherungsmarkt kursieren immer wieder Behauptungen, dass D&O-Versicherer, insbesondere im Banken- und Versicherungsbereich, Lebensläufe der zu versichernden Manager zur Risikoprüfung anfordern. Sollte dies zutreffen, müssen sich die entsprechenden D&O-Versicherer darüber im Klaren sein, dass sie damit ihr Geschäftsmodell gefährden. Wenn die D&O-Versicherungsprämie nicht mehr als Betriebsausgabe, sondern ganz oder teilweise als steuerpflichtiger Arbeitslohn eingestuft wird, werden Unternehmen wohl nicht mehr dreistellige Millionenbeträge an Versicherungssummen einkaufen. Umso mehr wird man sich dann als Organmitglied überlegen, direkt eine persönliche D&O-Versicherung abzuschließen.
Der Abschluss einer persönlichen D&O-Versicherung ist vor allem auch deshalb sinnvoll, weil die D&O-Versicherern in Vergleichsverhandlungen immer häufiger die Frage stellen, ob sich die versicherte Person nicht auch mit ihrem Vermögen an der Schadenregulierung beteiligen möchte. Dies geschieht meist dann, wenn der D&O-Versicherer Zweifel an seiner deckungsrechtlichen Einstandspflicht geäußert und nur eine vorläufige Deckungszusage erteilt hat. Auch dies ist eine Facette der komplexeren Abwicklung von D&O-Schadensfällen.
Mehrfacher Versicherungsschutz
Eine Pflichtverletzung ist mittlerweile oft nicht nur bei einem D&O-Versicherer versichert. Hat der Versicherungsnehmer in den letzten Jahren mehrfach die D&O-Versicherer gewechselt, bieten im Rahmen der bestehenden Nachmeldefristen und Regelungen zur Rückwärtsversicherung möglicherweise mehrere D&O-Versicherer Deckungsschutz im Rahmen einer Mehrfachversicherung. Auch Überschneidungen mit Rechtsschutzversicherungen und einer persönlichen D&O-Versicherung sind häufig gegeben und erfordern klare Regelungen zur Abgrenzung sowie eine verstärkte Abstimmung zwischen allen Beteiligten.
Direktanspruch als weitere Möglichkeit der Regulierung von D&O-Schadensfällen
Spätestens seit der Grundsatzentscheidung des BGH zur D&O-Versicherung vom 13. April 2016 (BGH NJW 2016, 2184ff.) ist klar, dass der Deckungsanspruch der versicherten Person auch an die Versicherungsnehmerin abgetreten werden kann. Geht es dem geschädigten Unternehmen bei der Inanspruchnahme des Schädigers vorwiegend oder sogar ausschließlich um den Zugriff auf dessen Deckungsanspruch gegen die D&O-Versicherer, um damit letztlich direkt gegen den Versicherer vorgehen zu können, so liegt darin kein treuwidriges oder sittenwidriges Vorgehen im Sinne der §§ 242, 138 BGB. Auch diese BGH-Entscheidung zeigt, dass geschädigte Unternehmen zum Schadenausgleich in erster Linie auf den Leistungsanspruch der D&O-Versicherung abzielen dürfen.
Deckungsrechtliche Vorprüfungen
Der Grundsatz „Deckung schafft Haftung“ ist zwar verpönt, aber in der D&O-Schadenpraxis teilweise nicht von der Hand zu weisen. Nicht selten entspricht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch im Falle der Innenhaftung der eingekauften Versicherungssumme. Dies ist jedoch mitunter dem Umstand geschuldet, dass auch die Gesellschaft, insbesondere ein Aufsichtsrat, zu prüfen hat, ob und in welcher Höhe Schadensersatzansprüche durchsetzbar sind. Ein entscheidendes Kriterium hierfür ist in vielen Fällen das Vorliegen eines entsprechenden Versicherungsschutzes. Bereits bei der (gerichtlichen) Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist daher vorab zu prüfen, ob die vertraglichen Voraussetzungen für einen D&O-Versicherungsschutz bestehen – auch um nicht selbst als Aufsichtsorgan eine Pflichtverletzung zu begehen. Dies gilt im Übrigen auch für Insolvenzverwalter bei der Verfolgung von Ansprüchen der Massegläubiger.
Mittlerweile gesamtes Management im Fokus
Der Haftungsstreit weitet sich mittlerweile typischerweise auf das gesamte Management aus. Hierbei sind mehrere Schädigerkonstellationen denkbar, die gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen werden können:
- aus einem Organ (Geschäftsführer X und Geschäftsführer Y)
- aus mehreren Organen (Geschäftsleitung – Aufsichtsrat)
- aus mehreren Unternehmen (Holding – Tochtergesellschaft)
- aus Geschäftsführung und „sonstigem Management“ (Geschäftsführer und Prokurist)
- zusammen mit externen Beratern
- alle Konstellationen zusammen
Mit Blick auf die Ressortverteilung in der Geschäftsführung sowie die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats stellt sich häufig die Frage des Überwachungsverschuldens. Gegebenenfalls bestehen dann auch Regressansprüche der Manager untereinander. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass nicht alle Manager gleichermaßen haften. Werden neben der Geschäftsführung auch leitende Angestellte oder Prokuristen für einen Schaden in Anspruch genommen, haften sie nicht wie die Geschäftsleiter unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen, sondern im Rahmen der arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegierung. Dies kann zu unterschiedlichen Haftungsquoten und einem sogenannten gestörten Gesamtschuldnerausgleich führen. Neben den Managern kommen immer häufiger auch beteiligte Dritte als Mithaftende in Betracht (zum Beispiel Abschlussprüfer, Steuerberater), die in der Regel nach vertraglichen und nicht nach gesellschaftsrechtlichen Normen haften. Gerade die Regeln zur Beweislast sind unterschiedlich.
Unabhängig davon ist es für eine strukturierte Abwicklung bei mehreren Beklagten wichtig, dass sich die jeweiligen Parteien – soweit möglich und zulässig – bei ihrer Verteidigung abstimmen. In vielen Fällen sind sich die oft ehemaligen Berufskollegen nicht mehr „grün“. Hier sind dann vor allem die mandatierten Rechtsanwälte gefordert, um eine vernünftige und zielgerichtete Schadenabwicklung zu gewährleisten. Aber selbst auf dieser Ebene besteht häufig entsprechendes Potenzial für „komplexe“ Schadenregulierungen.