In regelmäßigen Intervallen wird in dem Bereich der D&O-Versicherung das Thema persönliche D&O-Versicherung hochgespült. Schon vor zehn Jahren wurden Sinnhaftigkeit und Erfolgsaussichten einer solchen Police diskutiert. Unterscheidungsmerkmal für diesen individuellen D&O-Versicherungsschutz ist, dass nicht, wie sonst üblich, das Unternehmen des Organmitglieds eine D&O-Police für ihn abschließt, sondern der Versicherungsschutz suchende Manager selber. Dies hat mehrere Konsequenzen. Zum einen verfügt das Organmitglied dann über einen eigenen Vertrag und ist „Herr“ über sein Limit. Zum anderen ist er aber auch Prämienschuldner und Verbraucher im Sinne von § 13 BGB, was wiederum weitergehende Beratungs-und Protokollierungspflichten für den Vertriebsweg bedeutet.
Rückblickend betrachtet startete die erste Marketing- und Produktentwicklungswelle mit Beginn der New-Economy-Krise, als sich der D&O-Markt verhärtete und sich die Policen für einige Unternehmen sowohl prämien- als auch bedingungsseitig so sehr verschlechterten, dass die betroffenen Ma-nager eine Absicherung durch eine persönliche D&O-Versicherung suchten, vereinzelt auch über sogenannte Vermögensschadenrechtsschutz-Deckungen. Oft stellten auch die Gesellschafter von inhaber-/familiengeführten Unternehmen die Notwendigkeit einer D&O für das Unternehmen und einen gegebenenfalls vorhandenen Geschäftsführer in Frage, sodass dem Manager nichts anderes übrig blieb, als nach einer eigenen Versicherungslösung zu suchen.
Der Versicherungsmarkt war zu dem Zeitpunkt weder auf Anbieter- noch auf Vermittlerseite offen für Abweichungen von der Norm – hatte man sich doch gerade erst an die ohnehin schon versicherungsrechtlich anspruchsvolle Vertragskonstruktion einer D&O-Versicherung gewöhnt. Vor allem wurde immer die gesamtschuldnerische Haftung der Organmitglieder als Argument gegen eine individuelle D&O-Versicherung angeführt. Man befürchtete und tut dies teilweise immer noch, dass bei einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Organmitglieder von Seiten der Anspruchsteller bewusst diejenigen bevorzugt in Anspruch genommen werden, bei denen man weiß, dass „auch was zu holen ist“, sprich D&O-Versicherungsschutz besteht. Deckung schaffe nicht nur Haftung, sondern auch das erhöhte Risiko einer Inanspruchnahme.
Vorstände müssen sich am Schaden beteiligen
Mit dem 5. August 2009 und dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) kam plötzlich das Thema D&O-Individualpolice wie-der auf das Tablett. Danach ist gemäß 93 Abs. 2 S. 3 AktG in der D&O-Versicherung ein Pflichtselbstbehalt für Vorstände einer Gesellschaft, auf die das deutsche Aktienrecht Anwendung findet, zwingend vorgeschrieben. Zeitgleich hatte die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) auf die Gesetzesänderung reagiert und sieht in Ziffer 3.8 des Kodex eine gleichlautende Regelung für die Aufsichtsräte börsennotierter Aktiengesellschaften vor. Auch die verschiedenen Public Corporate Governance Kodices (PCGK) empfehlen mittlerweile für bestimmte Organmitglieder Selbstbehalte. Für Vorstandsmitglieder heißt das: Jedes Vorstandsmitglied hat sich bei jedem Schadenfall mit einem vertraglich festzulegenden Prozentsatz zu beteiligen, der mindestens zehn Prozent des Schadens betragen muss. Absolute Obergrenze ist ein Betrag, der mindestens 150 Prozent der festen jährlichen Vergütung im Jahr der Pflichtverletzung betragen muss.
Dieser Selbstbehalt kann aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Mindesthöhe nicht selten zu einem existenziellen Risiko für den Vorstand oder Aufsichtsrat führen, womit das Bedürfnis einer Versicherungslösung zur individuellen Absicherung des Selbstbehalts schlagartig zunahm und die Versicherungswirtschaft in aller Eile und teilweise Hektik verschiedenste Lösungen aus dem Hut zauberten. Darunter das Anrechnungsmodell, das Kumulmodell, das Regressmodell, Gruppenverträge/Poollösungen sowie eine reine VorstAG-Deckung als Einzelpolice. Auf die jeweiligen Besonderheiten und Vor- und Nachteile wird an dieser Stelle auf die bisherige Literatur verwiesen. Die Herausforderung der Versicherer, die bereits die Unternehmens-D&O-Versicherung zeichneten und auch den Selbstbehalt der jeweiligen Vorstände absichern wollten, bestand und besteht gerade bei Konzernen darin, dass die angebotene Gesamtkapazität eines Versicherers schnell an ihre Grenzen kommt, da die Unternehmenspolicen schon einen Großteil der Kapazität binden. Um dieses Kumulproblem zu vermeiden, werden von den Vorständen oft bisher am Versicherungsprogramm unbeteiligte Versicherer angefragt. Praktische Konsequenz ist, dass diese Versicherungsprämien in der Regel höher sind als diejenigen im o.g. Anrechnungsmodell, bei dem letztlich von den Versicherern der Unternehmens-D&O nur eine Art Verwaltungsgebühr erhoben wird.
Die auf dem Markt zu findenden Selbstbehaltsversicherungen zeichnen sich letztlich dadurch aus, dass sie im Schadenfall der Regulierung durch den Unternehmens-D&O-Versicherer uneingeschränkt folgen und lediglich als „Kasko“-Versicherer den einbehaltenen Selbstbehalt ausgleichen. Die Versicherungsbedingungen sollten im Hinblick auf die Schadenpraxis folgende Rege-lungen beinhalten:
- Die Folgepflicht der Selbstbehaltsversicherung sollte auch explizit Vergleiche im Rahmen der Schadenregulierung erfassen.
- Nach Beendigung der Selbstbehaltsversicherung sollte eine ausreichende, unverfallbare Nachmeldefrist für Versicherungsfälle bestehen, die sich an der Regelung in der D&O-Versicherung für das Unternehmen und mindestens an den jeweiligen Verjährungsvorschiften orientiert.
Zuletzt sollte jährlich die Versicherungssumme der Selbstbehaltsversicherung kontrolliert werden, da diese von der jährlichen Fix-Vergütung des Vorstands abhängt und sich im Normalfall regelmäßig erhöht.
Manager werden gemeinschaftlich zur Rechenschaft gezogen
Auf das vermeintliche, gegen eine persönliche D&O-Versicherung sprechende Argument, dass vor allem derjenige Manager in Anspruch genommen wird, der Versicherungsschutz hat, spricht jedoch die heutige organschaftliche Schadensituation. Betrachtet man diese, stellt man vermehrt fest, dass nicht mehr, wie in der Vergangenheit, nur vereinzelt Manager für Schäden und Pflichtverletzungen in Anspruch genommen, sondern dass in Zeiten von Compliance alle für einen Schaden in Frage kommenden Organe und teilweise auch leitende Angestellte gemeinschaftlich zur Rechenschaft gezogen werden. Genau diese zunehmende Komplexität innerhalb der Organhaftung führt gerade bei konzernweiten Fällen dazu, dass selbst bei sog. gelayerten Versicherungsprogrammen die Versicherungskapazität des Grundversicherers alleine für Abwehrkosten schnell verbraucht sein kann. Auch können mehrere D&O-Schadenfälle in einem Jahr dazu führen, dass für die später betroffene, versicherte Person keine (ausreichende) Versicherungssumme mehr zur Verfügung steht.
Letztlich ist bei sehr vielen Unternehmens-D&O-Versicherungen nicht geklärt, wie bei einer nicht ausreichenden Versicherungs-summe die Verteilung an die jeweiligen Versicherten zu erfolgen hat. Auch ist vielen Managern oft die Konzernpolice nicht bekannt oder aber die ausländische Konzernpolice erfüllt nicht deutsche Mindest- und Marktstandards in puncto Managerhaftung und Versicherungsschutz.
Anders als die Selbstbehaltsversicherung ist die persönliche D&O-Versicherung eine vollumfängliche Haftpflichtversicherung, d.h. der Versicherer bietet Abwehr und über-nimmt den Schadenausgleich. Die Entscheidung, welche Versicherungssumme bei der Einzelpolice wohl die „richtige“ ist, setzt andere Überlegungen wie sonst beim Versicherungseinkauf voraus: Der Versicherte wird hier eher geneigt sein, den Schutz seines (im beruflichen Leben zu erwartenden) Privatvermögens in den Vordergrund zu stellen, anstatt aus Sicht eines potenziell geschädigten Unternehmens Überlegungen anzustellen, welcher Betrag im Ergebnis eine bilanziell schützende Wirkung erzielen kann. Letztlich ist auch (noch) die Kapazität am Versicherungsmarkt für Einzelpolicen pro Police begrenzt (in der Regel max. 5 Mio. Euro).
Viele Versicherer orientieren sich zudem bei der Prämienfindung an einer Quotierung für das relevante Unternehmen im Falle einer Unternehmenslösung, sodass eine persönliche D&O-Versicherung im Verhältnis gesehen zur Zeit nicht günstiger als eine Unternehmenslösung ist. Einige Anbieter inkludieren in ihren Bedingungen dankenswerterweise auch einen Baustein zur Absicherung eines Selbstbehalts. Allerdings bedürfen diese noch oftmals einiger Klarstellungen:
- Der Selbstbehalt sollte nicht nur für den gesetzlichen Selbstbehalt entsprechend 93 Abs. 2 S. 3 AktG gelten, sondern auch für andere, insbesondere die nach dem DCGK oder PCGK.
- Es muss klargestellt werden, dass für den SB-Baustein insbesondere nicht die übrigen Obliegenheiten und Risikoaus-schlüsse des Versicherungsvertrages gelten, sondern dass — analog der „klassischen“ Selbstbehaltsversicherung — eine rigorose Folgepflicht im Hinblick auf die Schadenregulierung durch den Unternehmens-D&O-Versicherer besteht. Nur der Hinweis auf eine solche Folgepflicht reicht nicht zur Nichtanwendung aus.
Völlige Synchronisierung der Schadenfallregulierung nicht möglich
Zwar ist der Versicherungsnehmer „Herr“ über seinen eigenen D&O-Vertrag. Das gilt aber nur, wenn die Regelungen zu etwaigen Doppelversicherungen bzw. anderweitigen Versicherungen nicht mit denen einer D&O-Versicherung für das Unternehmen kollidieren (Subsidiaritätsregelung). Hier finden sich alle erdenklichen Varianten:
- Vorleistungspflicht der Einzelpolice, wo-bei die Versicherungsnehmerin auch das Gegenteil bestimmen kann.
- Vorleistungspflicht des anderen D&O-Vertrags, insbesondere der Unternehmens-D&O.
- Der zeitlich frühere D&O-Vertrag geht vor.
Problematisch ist vor allem, wenn beim Zusammentreffen einer persönlichen D&O-Versicherung mit einer Unternehmens-D&O beide Versicherer ihre Abwehrfunktion wahrnehmen und eigenständig sowohl gegenüber der versicherten Person als auch dem Geschädigten auftreten können. Insofern gilt es einerseits bereits im Vorfeld eine Abstimmung herbeizuführen, die ein einheitliches Vorgehen seitens der Versicherer weitestgehend gewährleistet. Anderseits haben beide Versicherungen im Regelfall unterschiedliche Risikoausschlüsse und Obliegenheiten, wodurch eine völlige Synchronisierung der Schadenfallregulierung faktisch nicht möglich ist. Durch den Umstand, dass bei einer persönlichen D&O-Versicherung das Unternehmen nicht, wie bei der Unternehmens-D&O, Vertragspartner wird, treffen es auch keine Auskunftsobliegenheiten, d.h. der Informationsstand bei der Schadenabwicklung kann zwischen bei-den Versicherungssträngen variieren.
Interessant ist insofern die zu findende Klausel, dass der Versicherer, der sowohl die Einzelpolice als auch das Unternehmen versichert, für den Fall, dass eine der beiden Deckungen keinen Schutz bietet, die andere aber doch, vollumfänglicher Versicherungs-schutz durch beide Policen zusichert. Zumindest insofern ist eine Synchronisierung im Ansatz sichergestellt.
Viele D&O-Schadenfälle werden im Vergleichsweg beendet
Bezüglich der Anzeigeobliegenheiten unterscheiden sich die derzeitigen Versicherungsbedingungen erheblich. Erfreulich ist zunächst, dass alle Versicherer den Katalog der anzuzeigenden Umstände als abschließend bezeichnen. Dies ist deswegen erfreulich, weil der Versicherungsnehmer möglicher-weise gar nicht in der Lage ist, sämtliche geforderten Sachverhalte im Unternehmen zu kennen und deren Relevanz für seinen persönlichen Versicherungsschutz herzuleiten. Nichtsdestotrotz sind einige anzuzeigende Umstände als zu weitgehend zu bewerten:
- Änderung des Gesellschaftsvertrages eines im Versicherungsschein benannten Unternehmens im Hinblick auf den Unternehmensgegenstand;
- Antragstellung auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der im Versicherungsschein genannten Gesellschaften;
- Neuaufnahme sowie die Beendigung von Mandaten des Versicherungsnehmers in Mandatsunternehmen.
Letzterer Punkt macht dabei nur Sinn, wenn die persönliche D&O-Versicherung als sog. Wanderpolice und nicht nur mandatsbezogen Versicherungsschutz bietet. Auch die jeweiligen Regelungen zur Nachmeldefrist (36, 60 oder 72 Monate in der Regel mit Zukaufsoptionen) sind bei den wenigen Anbietern höchst unterschiedlich und in einigen Fällen im Hinblick auf eine 5-jährige (§ 43 Abs. 4 GmbHG bzw. § 93 Abs. 6 AktG) oder sogar 10-jährige gesellschaftsrechtliche Verjährung von Ansprüchen gegen die Organe bei börsennotierten Aktiengesellschaften (§ 93 Abs. 6 AktG) mit erheblichem Nach-besserungsbedarf zu bewerten. Lediglich ein Anbieter bietet bisher eine 12-jährige unverfallbare Nachmeldefrist an.
Viele D&O-Schadenfälle werden im Vergleichsweg beendet. Bei Aktiengesellschaften muss gemäß § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG die Hauptversammlung zustimmen. Um eine solche Zustimmung zu erreichen und die Vergleichsbereitschaft bei den Anteilseignern zu erhöhen, werden oftmals On-Top-Schadenzahlungen vereinbart, wonach das in Anspruch genommene Organmitglied aus seinem Privatvermögen zusätzlich zur Zahlung der Unternehmens-D&O-Versicherung einen eigenen Beitrag (gemeint ist nicht der gesetzliche Selbstbehalt) erbringt, der prinzipiell auch versicherbar ist. Es sollte in den Versicherungsbedingungen einer persönlichen D&O-Versicherung allerdings klargestellt werden, dass ebensolche On-Top-Zahlungen ebenfalls im Rahmen des Versicherungslimits erstattet werden, da mitunter Versicherer argumentieren, dass es sich bei einem Vergleich um eine freiwillige vertragliche Regelung und nicht um einen Fall der gesetzlichen Haftpflicht handelt.
In Anbetracht der gestiegenen und wahrscheinlich noch steigenden Komplexität von D&O-Schadenfällen und auch der Anspruchshöhen wird vermehrt das Phänomen auftreten, dass die D&O-Versicherung des Unternehmens für alle versicherten Personen hinsichtlich der Versicherungssumme nicht ausreicht. Lösung kann einerseits die generelle Erhöhung des vom Unternehmen eingekauften Versicherungslimits sein oder auch die separate Versicherung bzw. Sublimitierung von Konzernteilen, aber andererseits auch der Abschluss einer persönlichen D&O-Versicherung durch einzelne Organe. Hierbei muss aber noch versicherungstechnisch an dem Zusammenspiel zwischen der Individual- und der Unternehmenspolice gearbeitet werden, um eine stärkere Harmonisierung im Schadenfall herbeizuführen.