Über das Vermögen der S. GmbH & Co. KG (nachfolgend: Schuldnerin) wurde am 30. März 2014 unter Anordnung einer Eigenverwaltung nach § 270 InsO ein Insolvenzverfahren eröffnet. Bei dieser wird der Geschäftsbetrieb trotz Insolvenz fortgeführt. Bei der Eigenverwaltung ist das insolvente Unternehmen eigenständig berechtigt, die Insolvenzmasse zu verwalten. Allerdings wird es durch einen Sachwalter (nachfolgend: Beklagter) beaufsichtigt.
Der Beklagte wurde mit Wirkung zum 17. September 2014 zudem zum weiteren Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Schuldnerin berufen, nachdem er zuvor für sie als Sanierungsexperte tätig gewesen war. Einem von dem Beklagten und den übrigen Geschäftsführern am 14. Oktober 2014 erstellten Insolvenzplan, der neben der Befriedigung der Gläubiger und dem Erhalt der Arbeitsplätze eine Fortführung der Schuldnerin ermöglichen sollte, stimmte die Gläubigerversammlung am 4. November 2014 zu. Das Amtsgericht hob nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans das Insolvenzver- fahren durch Beschluss vom 28. Januar 2015 auf. Zwischenzeitlich bestellte die Schuldnerin am 9. Dezember 2014 bei der Klägerin Damenoberbekleidung, deren Lieferung am 30. April 2015 zu erfolgen hatte. Der von der Klägerin nach Ausführung der Leistung am 6. Mai 2015 vereinbarungsgemäß der Schuldnerin in Rechnung gestellte Betrag von EUR 87.120,49 blieb unbeglichen. Auf einen Eigenantrag vom 18. Juni 2015 wurde über das Vermögen der in S. V. GmbH umfirmierten Schuldnerin erneut ein Insolvenzverfahren eröffnet. Vorliegend nimmt die Klägerin den Beklagten wegen des Forderungsausfalls auf Schadensersatzleistung über EUR 87.120,49 nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten in Anspruch. Die Klage wurde in den Vorinstanzen (LG und OLG Düsseldorf) mangels einer Anspruchsgrundlage abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und erhält Recht.
Noch zutreffend geht das OLG Düsseldorf als Berufungsgericht davon aus, dass die Bestimmung des § 61 InsO in vorliegender Gestaltung nicht unmittelbar anwendbar ist. Jedoch können nach Ansicht des BGH die Vorschriften in der Eigenverwaltung einer juristischen Person analog auf die vertretungsberechtigten Geschäftsleiter angewendet werden. Es kommt damit neben einer möglicherweisen bestehen Innenhaftung iSv § 43 Abs.1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 AktG zu einer umfangreichen Außenhaftung. Die Bestimmungen der § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 AktG selber regeln allein die Pflichten der Geschäftsleiter aus ihrem durch die Bestellung begründeten Rechtsverhältnis zur Gesellschaft. Sie dienen allerdings nicht dem Zweck, Gesellschaftsgläubiger vor den mittelbaren Folgen einer sorgfaltswidrigen Geschäftsleitung zu schützen. Dies kann nur durch eine analoge Anwendung des § 61 InsO erfolgen. Danach haftet der Geschäftsführer in der Eigenveraltung also gegenüber allen Beteiligten, wenn er schuldhaft seine Pflichten verletzt und gegenüber den Massegläubigern, wenn Masseverbindlichkeiten geschaffen wurden, die nicht von der Insolvenzmasse bedient werden können.
Entscheidend für die Analogie ist nach Auffassung des BGH der erweiterte und geänderte Pflichtenkreis des GmbH-Geschäftsführers in der Eigenverwaltung. „Die Geschäftsleiter werden nach Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens nicht mehr allein aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Leitungsmacht tätig, sondern nehmen auch und vor allem insolvenzrechtliche Rechte und Pflichten für die Gesellschaft wahr.“ Der Geschäftsführer wird in der Eigenverwaltung u.a. frei von Anordnungen der gesellschaftsrechtlichen Überwachungsorgane. Er kann selbstständig über die Erfüllung beiderseits nicht vollständig abgewickelter Verträge sowie über die Ausübung von Sonderkündigungsrechtenentscheiden. Überdies kann er die Feststellung einer Forderung zur Tabelle kraft Widerspruchs verhindern. Dies berücksichtigend erscheint es nicht unangemessen, wenn man den Geschäftsführer in der Eigenverwaltung dem persönlichen Haftungsregime vergleichbar mit dem Insolvenzverwalter unterwirft. „Verantwortet die Geschäftsleitung einer eigenverwalteten Gesellschaft im weiten Umfang Funktionen eines Insolvenzverwalters, muss sie notwendigerweise für etwaige Pflichtverletzungen in diesem Bereich gleich einem Insolvenzverwalter haften.“
BGH, Urteil vom 26. April 2018 (Az. IX ZR 238/17)