In 23 von 93 Städten mit mehr als 80.000 Einwohnern ist nach einer Studie des Instituts für den öffentlichen Sektor e.V. das örtliche Stadtwerk akut gefährdet, mit einer möglichen Insolvenz als ultima ratio. Denn in diesen Fällen ist nicht nur die Haushaltslage der Stadtwerke angespannt. Auch die besitzenden Kommunen sind so klamm, dass sie ihre Versorger im Ernstfall nicht retten könnten. Die Forscher werteten dafür die Finanzdaten der Kommunen und Stadtwerke zwischen 2011 und 2014 aus. Im Ruhrgebiet liegen 100 Prozent der untersuchten kommunalen Konzerne in den kritischen Kategorien „Rot-Rot“ (beide angespannt) oder „Rot-Gelb“. Von den elf dort untersuchten kommunalen Konzernen sind gleich acht in „Rot-Rot“ eingestuft.

Schuld an der finanziellen Notlage ist zum einen die Energiewende. Die Kommunen haben hohe Investitionen geleistet, um zum Beispiel Gas- oder Kohlekraftwerke zu bauen. Weil sich jedoch die Großhandelspreise für Elektrizität im freien Fall befinden, lohnt sich das Stromgeschäft für die Stadtwerke kaum mehr. Sie können die Darlehen für ihre Investitionen nicht mehr abbezahlen und rutschen immer tiefer in die Schuldenfalle. Zum anderen werden die drastisch sinkenden bzw. sogar gestrichenen Dividendenzahlungen der hiesigen Energieversorger für die kommunalen Anteilseigner zum Alptraum.

In derartigen Krisensituationen sind an das Management und deren Aufsichtsräte besondere Anforderungen zu stellen. Auch die Haftung von Organmitgliedern rückt dabei verstärkt in den Blickpunkt des Interesses. Insbesondere Aufsichtsräte müssen in der Unternehmenskrise gestaltend überwachen und eigene Lösungsvorschläge zur Krisenbewältigung entwickeln. Ein passives Verhalten in der Krise ist pflichtwidrig. Mit Blick auf die „Doberlug-Kirchhain“-Entscheidung des BGH (s.u.) bestehen dabei in puncto Haftung und Rechtsfolgen graduelle Unterschiede zwischen dem obligatorischen und fakultativen Aufsichtsrat, aber letztlich für beide ein entsprechendes Haftungspotential.