Die schon seit Jahren andauernde Diskussion um die möglicherweise bestehende, persönliche Haftung eines Vorstands oder Geschäftsführers für Kartell-Geldbußen, ist um eine Facette und ein erstes obergerichtliches Urteil eines Kartellsenats reicher.

Nachdem erst im Juni 2023 der Kartellsenat des Dortmunder Landgerichts in einem Hinweisbeschluss (Beschluss vom 21.6.2023 – 8 O 5/22 (Kart)) die Ansicht vertrat, dass eine Haftung eines ehemaligen Geschäftsführers dem Grunde nach zu bejahen ist, konterete nun das OLG Düsseldorf (Urteil vom 27.7.2023 –  VI-6 U 1/22 (Kart)) in einer anderen Kartellsache.

Das LG Dortmund trat der bisher in der Rechtsprechung (LAG Düsseldorf 20. 1. 2015 -1 6 Sa 459/14, ZIP 2015, 829; ferner in einem obiter dictum LG Saarbrücken 15.09.2020 – 7HK O 6/16, Rn. 122, juris in Bezug auf Kartellbußen der EU und offenbar auch LG Düsseldorf 37 O 66/20 (Kart) – unveröffentlicht) sowie in Teilen der Literatur (vgl. etwa Baur/Holle, ZIP 2018, 459; Bunte, NJW 2018, 123; Lotze/Smolinski, NZKart 2015, 254 und zum Ganzen Leclerc, NZKart 2021, 220 m.w. N.) vertretenen Auffassung entgegen und bejahte einen Regressanspruch der Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsführer auf Ersatz von Schadenspositionen, die ihr dadurch entstanden sind, dass der Geschäftsführer an einem der Gesellschaft zurechenbaren Kartellrechtsverstoß mitgewirkt hat und die Gesellschaft daraufhin mit Bußgeldern belegt und mit Schadensersatzforderungen konfrontiert wurde.

Der Kartellsenat des OLG Düsseldorf entschied nun, dass ein Vorstand und ein Geschäftsführer nicht persönlich für die Kartell-Geldbußen ihres Unternehmen haften, selbst dann nicht, wenn sie selbst an den illegalen Preisabsprachen beteiligt waren. Hierzu nahm das Gericht eine teleologische Reduktion von § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG vor. Diese wird wesentlich mit den Besonderheiten der Verbandsgeldbuße im Zusammenspiel mit den deutschen Kartellrechtsnormen begründet, da andernfalls die kartellrechtliche Wertung unterlaufen werde, wonach – wie vorliegend – getrennte Bußgelder gegen die handelnde Person und das Unternehmen selbst festgesetzt werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Revision ist zugelassen.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf, dass keine persönliche Haftung eines Vorstands oder Geschäftsführers für Kartell-Geldbußen besteht, wird sicherlich auch die bisherige Diskussion um die Frage beeinflussen, ob eine D&O-Versicherung für einen beim Geschäftsführer/Vorstand regressierten Schaden des Unternehmens durch eine Geldbuße Versicherungsschutz besteht oder nicht.