Im Schadensfall ist der Versicherungsnehmer oft überrascht, wenn der Versicherer seine Leistungspflicht mit der Begründung ablehnt, er habe bereits genug gezahlt. Der Versicherer beruft sich dabei auf Kumulklauseln, die in bestimmten Fällen tatsächlich die Leistungspflicht des Versicherers einschränken können. Jedenfalls dann, wenn sie zulässig sind. Ein Überblick über den Stand der Diskussion und die geltende Rechtslage.

Mit Kumulklauseln wollen Versicherungsunternehmen ihre Eintrittspflicht für bestimmte Schadenszenarien der Höhe nach begrenzen: Besteht für ein und denselben Versicherungsfall bei einem Versicherer Deckungsschutz aus mehreren Versicherungsverträgen, so ist die Leistungspflicht des Versicherers auf die höchste der vereinbarten Versicherungssummen begrenzt. Eine Kumulierung der Versicherungssummen findet nicht statt.

Klauselbeispiel (ein Versicherungsnehmer)
Soweit ein von dem vorliegenden Vertrag abgesichertes Risiko ganz oder teilweise auch über einen anderen Versicherungsvertrag mit einem Unternehmen der X-Gruppe abgesichert ist, beschränkt sich die maximale Leistung aus beiden Verträgen auf die höhere der vereinbarten Versicherungssummen.

 

 

 

Wie das obige Beispiel zeigt, erhält der Versicherungsnehmer also aufgrund der Kumulklausel seinen Schaden nicht vollständig ersetzt. Ist dies zulässig? Die Literatur hat sich bisher nur vereinzelt mit der Wirksamkeit von Kumulklauseln auseinandergesetzt.

Eine sogenannte Kumulklausel, die den Fall der Mehrfachdeckung regelt, ist in den Musterbedingungen nicht vorgesehen, kann aber durch entsprechende Vereinbarung in den Vertrag aufgenommen werden.“ (vgl. Langheid/Wandt/Schimikowski UHV/USV Rz. 148).

Die USV (Umweltschadenversicherung] enthält – ebenso wenig wie die UHV (Umwelthaftpflichtversicherung]  – eine generelle Kumulklausel, die eine Regelung trifft, falls ein Ereignis die Deckung aus mehreren Verträgen auszulösen vermag. In der Praxis sind solche Klauseln durchaus gebräuchlich.“ (Späte/Schimikowski/Schneider, 2. Aufl. 2015, USV, § 11 Rz. 1)

Die Kumulklausel kann sicherlich in den Vertrag aufgenommen werden. Ob sie aber auch gebräuchlich oder gar wirksam ist, steht auf einem anderen Blatt. Eine entsprechende AGB-rechtliche Herleitung versucht Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 18, Rz. 177: „AGB-rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit einer derartigen Klausel bestehen nicht, weil der Versicherer ein berechtigtes Anliegen verfolgt, wenn er sicherstellen will, für ein bestimmtes Risiko nur mit der dafür vereinbarten Versicherungssumme und nicht mit einem unüberschaubaren – kumulierten – Betrag einstehen zu müssen.

Mit einem berechtigten Anliegen des Versicherers allein wird man eine AGB-rechtliche Konformität aber sicher nicht begründen können.

Überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB?
Eine Klausel wird gemäß § 305c Abs. 1 BGB dann nicht Vertragsbestandteil, wenn sie aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nach den Gesamtumständen ungewöhnlich und für ihn überraschend ist, so dass er nicht mit ihr zu rechnen braucht.

Überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB ist eine Klausel unter anderem dann, wenn sie eine Regelung enthält, die von den Erwartungen des typischerweise damit konfrontierten Versicherungsnehmers in einer Art und Weise deutlich abweicht, mit der er den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel und ihre Platzierung an unerwarteter Stelle können sie zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen. Aus der Stellung der Klausel kann sich ein Überraschungseffekt ergeben, wenn diese in einem systematischen Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner mit ihr nicht zu rechnen braucht.

Die Kumulklausel im Beispiel wird von einem Versicherer im Abschnitt „Was ist der Versicherungsfall?“ verwendet. Die Klausel beschreibt aber nicht den Versicherungsfall, sondern beschränkt die Leistungspflicht und setzt einen Versicherungsfall voraus.

Unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB?
Die Klausel dürfte zudem sehr wahrscheinlich den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unangemessen benachteiligen.

Zwar gibt es kein gesetzliches Leitbild im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, von dem die Kumulklausel abweicht. Der Umstand, dass eine Klausel branchenüblich ist, stellt im unternehmerischen Geschäftsverkehr – anders als bei Verbraucherverträgen – ein Indiz dafür dar, dass sie nicht als unangemessen anzusehen ist. Die Verwendung einer Kumulklausel ist aber nicht branchenüblich.

Allerdings könnte sich aus der streitgegenständlichen Klausel eine Gefährdung des Vertragszwecks der Versicherung gemäß §§ 307 Abs. 1 S. 1 i. V. m. 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ergeben. Leistungsbegrenzungen bleiben zwar grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er nicht durch die Beschreibung der Hauptleistung falsche Vorstellungen beim Versicherungsnehmer hervorruft. Eine Gefährdung des Vertragszwecks liegt vor, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht (vgl. BGH, VersR 2017, 1076, Rz. 15 m.w.N.).

Enthält der Inhaltsversicherungsvertrag eine Kumulklausel wie im Beispiel, so müsste der Versicherer über die Elektronikversicherung für beide Versicherungen insgesamt nur EUR 3 Millionen Leistung erbringen – obwohl er Versicherungsprämien für ein Schadenpotential von EUR 4 Millionen erhalten hat. Die Aushöhlung des Vertragszwecks liegt auf der Hand.

Unangemessen ist eine Benachteiligung auch dann, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH NJW 2010, 57, Rz. 18). Zwar kann dem Versicherer ein Interesse an einer kalkulierbaren Begrenzung des Versicherungsschutzes nicht abgesprochen werden. Tatsächlich hat der Versicherer aber beide Versicherungsverträge risikogerecht bewertet und dafür insgesamt auch eine risikogerechte Versicherungsprämie erhalten. Er begrenzt seine Einstandspflicht jedoch auf die höhere der beiden vereinbarten Versicherungssummen. Zudem kann der Versicherer sein Kumulrisiko grundsätzlich durch ein internes Berichtwesen erfassen. Eine Abwälzung seines internen Risikos auf den Versicherungsnehmer ist daher nicht erforderlich.

Offenbar sind auch die zitierten Literaturstimmen trotz ihres eindeutigen, versichererfreundlichen Credos für eine Kumulklausel von ihrem eigenen Standpunkt nicht hundertprozentig überzeugt und relativieren ihn:

Lange: „Allerdings erscheint eine Prämienerstattung geboten, wie sie teilweise auch ausdrücklich vereinbart wird.“
Späte: „Maßgeblich sind deshalb – wie sonst auch – stets die Bedingungen des konkreten Vertragswerkes.“

Abwandlung des Klauselbeispiels (zwei Versicherungsnehmer)
Es sind darüber hinaus auch Konstellationen denkbar, in denen dasselbe Risiko durch verschiedene Versicherungsnehmer abgedeckt ist. Beispiel: Die Muttergesellschaft hat eine Versicherung bei X und die Tochtergesellschaft hat ebenfalls eine Versicherung bei X oder einer Konzerngesellschaft von X.

Konkret finden sich derartige Kumulklauseln häufig im Bereich der D&O-Versicherung.

Soweit ein von dem vorliegenden Vertrag abgesichertes Risiko ganz oder teilweise auch über einen anderen Versicherungsvertrag mit einem Unternehmen der X-Gruppe abgesichert ist, beschränkt sich die maximale Leistung aus beiden Verträgen nur dann auf die höhere der vereinbarten Versicherungssummen, wenn es sich bei dem anderen Versicherungsvertrag um einen Versicherungsvertrag derselben Produktgruppe (D&O-Versicherung einschließlich persönlicher D&O-Versicherung) handelt. Eine Kumulierung der Versicherungssummen findet in diesem Fall nicht statt.

 

 

 

Die oben beschriebene Kritik an der Kumulklausel wird hier dadurch verschärft, dass zwar immer dasselbe Risiko (Schaden durch eine begangene Pflichtverletzung) versichert wird, Versicherungsnehmer aber einmal das Unternehmen und einmal ein Verbraucher ist. Hinzu kommt, dass der Versicherungsnehmer einer privaten D&O-Versicherung oftmals – gerade weil er keine Kenntnis von der Existenz oder dem Regelungsgehalt der betrieblichen D&O-Versicherung hat – eine eigene Versicherung abschließt.

Unabhängig von der Frage, wie sich diese Klausel in der Schadenpraxis auswirkt und welcher Versicherungsvertrag gegebenfalls aufgrund der Vertragsbedingungen vorleistungspflichtig ist: Der Versicherungsnehmer einer persönlichen D&O-Versicherung wird sich wundern, wenn er keine Leistung beanspruchen kann, weil der D&O-Versicherer (bei einem Vertrag, bei dem er nicht Versicherungsnehmer, sondern nur versicherte Person ist) seine Gesamtkapazität bereits unter der Unternehmens-D&O erbracht hat. Im Ergebnis würde dies schließlich bedeuten, dass er als Versicherungsnehmer einer persönlichen D&O-Versicherung trotz gezahlter Prämie leer ausgeht.

Insofern wäre die Regelung in der betrieblichen D&O-Versicherung neben AGB-rechtlichen Bedenken sehr wahrscheinlich auch als Vertrag zu Lasten Dritter zu werten. Zumindest könnten Schadensersatzansprüche wegen unzureichender Beratung durch den Versicherer gemäß § 6 Abs. 5 VVG bestehen.