Der BGH hat mit Urteil vom 12. März 2020 (IX ZR 125/17) klargestellt, dass die Business Judgement Rule auf unternehmerische Entscheidungen eines Insolvenzverwalters weder im Wege einer Analogie zu § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG noch anderweitig Anwendung findet.

Die Haftung des Insolvenzverwalters bei unternehmerischen Entscheidungen richtet sich grundsätzlich allein nach § 60 InsO und den dazu entwickelten Maßstäben. Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO haftet der Insolvenzverwalter, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach der InsO obliegen. Dabei hat er nach § 60 Abs. 1 Satz 2 InsO die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters anzuwenden.

Die Formulierung des Gesetzgebers orientiert sich an dem Leitbild der handels- und gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen (§ 347 Abs. 1 HGB, § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG). Entsprechend wurde die Meinung vertreten, dass dann der Insolvenzverwalter auch in den Genuss der Business Judgement Rule kommen müsse. § 93 Abs.1 Satz 2 AktG benennt die Voraussetzungen, unter denen keine Pflichtverletzung des Organmitglieds vorliegt obwohl dem Unternehmen ggf. ein Schaden entstanden ist. In der Praxis werden diese Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die „Haftungsfreistellung“ der Business Judgement Rule greift, in fünf Tatbestandsmerkmale „zerlegt“:

  • Unternehmerische Entscheidung,
  • Wohl der Gesellschaft,
  • Keine Sonderinteressen,
  • Angemessene Information und
  • Guter Glaube

Ist die Business Judgement Rule anwendbar, wird eine unternehmerische Entscheidung durch ein Gericht nicht mehr daraufhin überprüft, ob eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt.

Nach Auffassung des BGH fehlt es für eine Anwendung der Business Judgement Rule an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Haftungsmaßstäbe für den Insolvenzverwalter ergeben sich vielmehr aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung, die den Besonderheiten bei unternehmerischen Entscheidungen des Insolvenzverwalters ausreichend Rechnung tragen. Bereits der aus § 60 Abs. 1 Satz 2 InsO abzuleitende Verhaltensmaßstab berücksichtige die schwierige Situation, in der sich der Insolvenzverwalter bei der Unternehmensfortführung befindet. Auch unterscheidet sich das unternehmerische Handeln des Insolvenzverwalters von dem eines Geschäftsleiters. Im Gegensatz zu den Organmitgliedern einer Gesellschaft überschreite der Insolvenzverwalter den Bereich des Handlungsermessens aber nicht erst, wenn er das mit der unternehmerischen Entscheidung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt hat oder sein unternehmerisches Handeln schlechthin unvertretbar ist. Eine solche auch auf der Grundlage eines anderen Pflichtenmaßstabes nicht ohne Weiteres folgerichtige Einengung der Haftung des Insolvenzverwalters entspricht nicht der Interessenlage des Insolvenzverwalters und der Beteiligten des Insolvenzverfahrens. Die Aufgabe des Insolvenzverwalters besteht nicht in der Eingehung unternehmerischer Risiken zur Erreichung des Gesellschaftszwecks (Erzielung von Gewinn), sondern der Erreichung des Insolvenzzwecks (bestmögliche Befriedigung der Gläubiger).

Es ist davon auszugehen, dass diese Entscheidung auch für die Haftung von Mitgliedern des Gläubigerausschusses übertragbar ist. Verstoßen die Mitglieder eines Gläubigerausschusses gegen ihre aus § 69 InsO resultierenden Pflichten, kann dies einen Schadensersatzanspruch aus § 71 InsO begründen (so auch BGH, Urteil vom 09.10.2014, IX ZR 140/11) . Diese Pflichten treffen nicht den Gläubigerausschuss als solchen, sondern jedes einzelne Ausschussmitglied. Daher handele es sich bei der Haftung aus § 71 InsO auch um eine individuelle Haftung, die regelmäßig eine eigene Pflichtverletzung des jeweiligen Ausschussmitgliedes voraussetze. Aber auch hier dürfte es für die Anwendung der Business Judgement Rule an einer Regelungslücke fehlen.