Der ehrenamtlich tätige Vorsitzende eines Schulzweckverbandes in Sachsen haftet dem Zweckverband für Pflichtverletzungen entsprechend § 48 Satz 1 BeamtStG nur, wenn diese vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen worden sind.

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen einer Gemeinde entgangener Zahlungen nach dem „Gesetz über den Finanzausgleich mit den Gemeinden und Landkreisen im Freistaat Sachsen“ (Finanzausgleichsgesetz – FAG).

Die klagende Gemeinde bildet gemeinsam mit der benachbarten Gemeinde einen Schulzweckverband (Beklagter zu 2). Dieser wurde gemäß der Verbandssatzung zum Schulträger für die im Verbandsgebiet befindlichen Grund- und Mittelschulen. Der Beklagte zu 1 war im Jahre 2006 Bürgermeister der Gemeinde L. und zugleich ehrenamtlicher Vorsitzender des Schulzweckverbands. Der Bürgermeister unterzeichnete in seiner Funktion als Verbandsvorsitzender einen „Erhebungsbogen für Schülerdaten der Schulverbände“ des Statistischen Landesamtes Sachsen. Diese darin festgehaltenen Schülerangaben flossen in die amtliche Schulstatistik des Statistischen Landesamtes ein, die ihrerseits Grundlage des sogenannten Schüleransatzes nach § 7 Abs. 4 FAG war. Mit an die Klägerin gerichtetem Bescheid setzte das Regierungspräsidium L. die der Klägerin zustehenden Schlüsselzuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz fest. Der Berechnung lag unter anderem ein „Schülernebenansatz“ von Null zugrunde. Tatsächlich besuchten damals 73 Schüler die im Gemeindegebiet der Klägerin gelegene Grundschule. Widerspruch und Anfechtungsklage der Klägerin hatten keinen Erfolg. Bei seiner Entscheidung stellte das Verwaltungsgericht L. – wie zuvor schon das Regierungspräsidium – darauf ab, dass nach § 7 Abs. 4 Satz 3 FAG maßgeblich für die Ermittlung des Schüleransatzes die amtliche Schulstatistik und nicht die tatsächlichen Schülerzahlen seien. Nach dieser Vorgabe habe sich der Festsetzungsbescheid zu richten. Soweit die Statistik für die Klägerin eine Schülerzahl von Null aufweise, möge dies den tatsächlichen Umständen zwar nicht entsprochen haben. Die entsprechenden Zahlen habe aber der Schulzweckverband gemeldet. Dessen fehlerhaftes Verhalten sei dem Risikobereich der Klägerin zuzurechnen.

Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 SächsBG a.F. (jetzt: § 48 Satz 1 BeamtStG) haftet ein Beamter, der vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, für den daraus entstandenen Schaden. Der Vorsitzende eines Zweckverbands ist in Sachsen – anders als in einigen anderen Bundesländern (vgl. etwa § 159 Abs. 2 KV M-V; § 12 Abs. 2 GkZ Sch.-H.; jeweils Ehrenbeamter) – in dieser Funktion allerdings kein Beamter. Er ist ehrenamtlich tätig (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SächsKomZG) und gehört nicht zu den kommunalen Wahlbeamten (§ 145 SächsBG). Dass der damalige Bürgermeister der Mitgliedsgemeinde L. kommunaler Wahlbeamter war (§ 51 Abs. 2 SächsGemO; § 145 Nr. 1 SächsBG n.F.), ist entgegen der Auffassung der Beklagten in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn § 97 Abs. 1 Satz 1 SächsBG a.F. (jetzt: § 48 Satz 1 BeamtStG) setzt das Bestehen eines Beamtenverhältnisses zwischen den Beteiligten voraus. Für den Zweckverband ist der Bürgermeister aber nur ehrenamtlich und nicht als Beamter tätig geworden.

Die Haftung ehrenamtlich tätiger Zweckverbandsvorsitzender ist im Sächsischen Gesetz über kommunale Zusammenarbeit nicht näher geregelt. Soweit nach § 56 Abs. 2 Satz 4 SächsKomZ für den Verbandsvorsitzenden die für (ehrenamtliche) Gemeinderäte maßgebenden Vorschriften entsprechend gelten, enthält auch die Sächsische Gemeindeordnung – anders als etwa Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayGO, § 25 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerf; § 34 Abs. 1 KVG LSA und § 12 Abs. 3 Satz 4 ThürKO; dort ist jeweils eine Haftung für Pflichtverletzungen bei ehrenamtlichen Tätigkeiten, beschränkt auf Vorsatz und grobe Fahrlässig-keit, vorgesehen – keine hier einschlägigen Haftungsbestimmungen.

Die Frage der Innenhaftung eines ehrenamtlich tätigen Zweckverbandsvorsitzenden ist bisher nur vereinzelt in Rechtsprechung (Sächsisches OVG, Beschluss vom 15. Februar 2006 – 4 B 952/04) und Literatur (Schreiner, Die Haftung im Zweckverband, S. 96 ff; Thaller/Krafft in: Rotermund/ Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Aufl., Rn. 1332 ff; Ziche/Wehnert, Die Haftung des Vorsitzenden eines Zweckverbands, DÖV 2009, 890) näher erörtert worden. Hierbei wird, soweit keine landesgesetzliche Regelung vorliegt, regelmäßig darauf verwiesen, dass zwischen dem Zweckverband und seinem Vorsitzenden eine öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung bestehe, auf die die Normen des bürgerlichen Rechts über die Haftung bei einem unentgeltlichen Auftragsverhältnis (§ 662 iVm § 280 Abs. 1, § 276 Abs. 1 BGB) entsprechend anzuwenden seien. Allerdings wird in diesem Zusammenhang zumeist der Haftungsmaßstab des § 276 BGB, nach dem grundsätzlich auch für einfache Fahrlässigkeit gehaftet wird, als unpassend angesehen und insoweit im Wege einer weiteren Analogie entsprechend den beamtenrechtlichen Regelungen eine Begrenzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit befürwortet (Schreiner, aaO S. 98; Thaller/Krafft, aaO Rn. 1338; Ziche/Wehnert, aaO S. 895; so auch allgemein für ehrenamtliche Tätigkeiten im Rahmen des öffentlichen Rechts in Sachsen: Quecke/Schmid (u.a.), Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen, Stand Dezember 2003, § 17 Rn. 32 ff, 35; offen gelassen in Sächsisches OVG, aaO, Rn. 9).

Diese Beschränkung des Haftungsmaßstabs ist richtig. Die bestehende Regelungslücke ist auch ohne Rückgriff auf das Auftragsrecht durch analoge Anwendung des § 97 Abs. 1 Satz 1 SächsBG a.F. (jetzt: § 48 Satz 1 BeamtStG) zu schließen. Das zwischen dem Zweckverband und seinem Vorsitzenden be-stehende öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis ist, was die Frage der Innenhaftung anbetrifft, mit dem von § 97 Abs. 1 Satz 1 SächsBG a.F. (jetzt: § 48 Satz 1 BeamtStG) geregelten Innenverhältnis im Beamtenrecht vergleichbar.

BGH, Urteil vom 2.3.2017 (III ZR 271/15)