Die Dortmunder Krankenkasse BIG hat vom OLG Hamm einen Schadensersatzanspruch iHv EUR 4,6m gegen einen ehemaligen Vorstand zugestanden bekommen. Nach Ansicht des Gerichts hatte der Manager 2009 gegen seine Dienstpflichten verstoßen und mit 4000 Quadratmetern zu viele Büro- und Nebenflächen angemietet. Das ging nach Ansicht des Gerichts über mehrere Jahre am Bedarf der gesetzlichen Krankenkasse vorbei.

Sowohl das Landgericht Bochum, Urteil vom 15.01.2015 (I-3 O 430/12), als nun in der Berufungsinstanz auch das OLG Hamm, Urteil vom 17.03.2016 (27 U 36/15), verurteilten den Manager. Festzuhalten sind folgende Punkte:

• Vorstände gesetzlicher Krankenversicherungen tragen ein erhöhtes Haftungsrisiko, da sie sich nicht über die Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG) exkulpieren können.
• Zudem ist die Haftungsprivilegierung der Selbstverwaltungsorgane (§ 42 Abs. 2 SGB IV) auf sie nicht anwendbar, wonach diese nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einzustehen haben. Denn Krankenkassenvorstände sind keine Selbstverwaltungsorgane.
• Einfache Fahrlässigkeit i.S.v. § 276 Abs. 2 BGB genügt für eine Haftung, sofern im Rahmen des Dienstvertrags die Haftung nicht auf grobe Fahrlässigkeit und/oder Vorsatz beschränkt wurde.
• Krankenkassen-Vorstände müssen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz aus § 69 Abs. 2 SGB IV beachten: bei jeder Maßnahme ist die günstigste Zweck-Mittel-Relation herzustellen, d.h. ein bestimmtes Ergebnis muss mit möglichst geringem Einsatz von Mitteln erreicht werden (Minimalprinzip) oder mit den gegebenen Mitteln der größtmögliche Nutzen erzielt werden (Maximalprinzip).
• Anmietungen dürfen nur aufgrund gesicherter Erkenntnisse zur Personalentwicklung und dem hieraus folgenden Raumbedarf vorgenommen werden.

Gerade bei den gesetzlichen Krankenkassen kommt es aufgrund von spezialgesetzlichen Regelungen des Öfteren zu einer weiteren, verschärften Organhaftung als es „normale“ Organmitglieder aus der Privatwirtschaft kennen, z.B. §§ 12 Abs. 3 S. 3, 106 Abs. 4b, 175 Abs. 2a SGB V.
Zudem ist auch die Pflicht zur Inanspruchnahme von Vorständen gemäß § 76 SGB IV mit einer abschließenden Aufzählung der Verzichtsgründe schärfer als im Aktienrecht (ARAG/Garmenbeck).