Die EU-Kommission hat am 28.09.2022 einen Entwurf für eine neue Richtlinie zur Produkthaftung vorgelegt, der die aus dem Jahr 1985 stammende Produkthaftungsrichtlinie an das digitale Zeitalter anpassen soll. Dieser Entwurf verschärft die verschuldensunabhängige Haftung zu Lasten der Unternehmen.

So erfasst der Produktbegriff nunmehr ausdrücklich auch Software (wie etwa ein KI-System) und digitale Bauunterlagen (etwa funktionale Informationen für 3D-Drucker) (vgl. Art. 4 Abs. 1 ProdHaftRL-E). Dementsprechend gehören die Lernfähigkeit und Veränderbarkeit eines Produkts (bspw. eines KI-Systems), die Vernetzung und Interoperabilität mit anderen Produkten, Software-Updates nach Inverkehrbringen sowie sicherheitsrelevante Cybersicherheitsanforderungen nebst Anforderungen des Produktsicherheitsrechts zu den Kriterien bei der Bewertung der Fehlerhaftigkeit eines Produkts (vgl. Art. 6 Abs. 1 ProdHaftRL-E). Darüber hinaus sieht der Entwurf eine Beachtung behördlicher Korrekturmaßnahmen im Rahmen der Beurteilung der Fehlerhaftigkeit vor, Art. 6 Abs. 1 Buchst. g) ProdHaftRL-E.

Daten stellen damit geschützte Rechtsgüter dar. Der Verlust oder die Verfälschung von Daten, die nicht ausschließlich für berufliche Zwecke verwendet werden, begründen einen ersatzfähigen Schaden (vgl. Art. 4 Abs. 6 Buchst. c) ProdHaftRL-E).

Zudem führt der Entwurf zu einer Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs der Produkthaftung. Haftende Wirtschaftsakteure sind neben dem (End- oder Teilprodukt-)Hersteller gemäß Art. 7 Abs. 1 ProdHaftRL-E auch Einführer und Bevollmächtigte des Herstellers, sofern der Hersteller außerhalb der EU ansässig ist (vgl. Art. 6 Abs. 2 ProdHaftRL-E). Ausgehend von der Herstellerfiktion soll ferner jede natürliche oder juristische Person, die ein bereits in Verkehr gebrachtes oder in Betrieb genommenes Produkt im Sinne des Produktsicherheitsrechts wesentlich verändert, als Hersteller haften, Art. 6 Abs. 4 ProdHaftRL-E. Die subsidiäre Haftung der Lieferanten, zu denen auch Anbieter einer Online-Plattform gehören können, bleibt weiterhin bestehen, Art. 6 Abs. 5, 6 ProdHaftRL-E.

Die geplanten Regelungen dazu im Überblick:

  • Aufhebung des Schwellenwertes für Sachschäden von bislang EUR 500 (Selbstbehalt), so dass künftig jede Schadenshöhe einklagbar ist,
  • Abschaffung der Haftungsgrenze für Personenschäden (bisher EUR 85 Mio. gemäß § 10 Abs. 1 ProdHaftG),
  • Beweislerleichterungen für Geschädigte,
  • Verpflichtung der Unternehmen zur Offenlegung von Beweismitteln, die der Geschädigte zur Begründung seiner Ansprüche braucht,
  • Produkte können fehlerhaft sein, wenn Anforderungen an die Cybersicherheit nicht berücksichtigt werden.

Geplant ist überdies die Erweiterung der Verjährungsfrist bei gesundheitlichen Spätfolgen auf 15 Jahre, Art. 14 Abs. 3 ProdHaftRL-E.