Die Themen Corporate Social Responsibility (CSR) und Environmental Social Governance (ESG) wurden zwar bereits schon seit längerem von juristischen Schwergewichten zur unternehmensorganisatorischen „Chefsache“ erklärt (z.B. Fleischer, AG 2017, 509 (522); Bachmann, ZGR 2018, 231, (238)). Allerdings wurde der Regelungsgehalt bisher eher in den Randbereich von Compliance unter dem Stichwort „Einhaltung zwingenden Rechts“ eingeordnet.

Aus dem Schatten traten diese Schlagworte allerdings mit der Entscheidung des Zivilgerichts in Den Haag am 26.5.2021. Darin wurde Royal Dutch Shell (RDS) verpflichtet, durch die Änderung interner Vorgaben und Leitlinien dafür zu sorgen, dass die CO2 Emissionen der Shell Gruppe im Jahr 2030 um 45% netto niedriger liegen als 2019. Flankiert wird die Entwicklung in der Rechtsprechung durch Bestrebungen der europäischen Richtliniengeber und nationalen Gesetzgeber, zunehmend Regelungen zu erlassen, die die Nachhaltigkeit von Unternehmen transparenter machen sollen. Die wesentlichen Eckpfeiler für eine nachhaltige Unternehmensstrategie bilden die Bereiche Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung und -kontrolle).

Die Europäische Kommission hat am 23.2.2022 den Vorschlag für eine Richtlinie zur „Corporate Sustainability Due Diligence“ vorgelegt (European Commission, Proposal for a directive of the European Parliament and of the Council on Corporate Sustainability Due Dilligence and amending Directive (EU) 2019/1937, COM(2022) 71 final). Damit sollen Unternehmen innerhalb des eigenen Geschäftsbereichs und entlang der gesamten Wertschöpfungskette zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz verpflichtet und damit auch der Übergang zu einer klimaneutralen und umweltfreundlichen Wirtschaft in Einklang mit dem European Green Deal und den UN Sustainable Development Goals sichergestellt werden. Der Richtlinienentwurf sieht als zusätzliches Sanktionselement und unbeschadet strengerer zivilrechtlicher Haftungsvorschriften die mitgliedstaatliche Schaffung einer zivilrechtlichen Haftungsgrundlage zur Ahndung der von den Unternehmen durch Nichteinhaltung der Sorgfaltspflichten verursachten Schäden vor.

In Deutschland wurde im Bereich ESG jüngst das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verabschiedet, welches am 1.1.2023 in Kraft tritt. Neben diesem deutschen Gesetz plant nun auch die EU-Kommission eine europäische Lieferkettenregulierung mit strenge(re)n Anforderungen. Mit dem neuen Lieferkettengesetz wird sich die Verantwortung der Unternehmen auf die gesamte Lieferkette erweitern. Dazu gehört der gesamte Entstehungsprozess vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt. Unternehmen, die im Ausland Vorleistungsgüter oder Fertigerzeugnisse beschaffen, sind verantwortlich für die Produktionsverfahren und die Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferern. Sie müssen Missstände zurückverfolgen und diese von vornherein oder ab Kenntniserlangung vermeiden oder abstellen.

Damit kommt es zu einer Erweiterung des Verantwortungsbereichs für die Unternehmensleitung und einer gesteigerten Legalitätspflicht. Das deutsche LkSG enthält zwar keine gesonderte zivilrechtliche Haftungsregelung. Nach § 3 Abs. 3 S. 1 LkSG begründet eine Verletzung der Sorgfaltspflichten keine spezielle Managerhaftung. Geschäftsleiter haben sich grundsätzlich bei der Amtsführung aber rechtstreu zu verhalten und müssen also die sie und die Gesellschaft treffenden Rechtsnormen beachten. Der Manager darf zunächst selbst keine Rechtsverstöße begehen und muss gegen erkannte Rechtsverstöße einschreiten. Die ESG-Berichtspflichten treffen damit mittelbar den Vorstand. Der Vorstand hat diese Pflicht für die Gesellschaft zu erfüllen (§ 76 Abs. 1 AktG). Er hat zur Ausführung alle notwendigen Vorbereitungen zu erledigen, damit er dieser Pflicht ordnungsgemäß nachkommen kann. Daraus resultiert, dass sich die Vorstandsmitglieder zumindest mit Nachhaltigkeitsbelangen innerhalb der Gesellschaft beschäftigen und sich dazu informieren müssen, da sonst eine ordnungsgemäße Entscheidung, ob und wie darüber berichtet wird, nicht möglich ist. Im Falle einer Verletzung dieser Berichtspflichten durch den Vorstand, die zu einem Schaden der Gesellschaft führt, können die Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 AktG persönlich im Rahmen ihrer Legalitäts- und Legalitätskontrollpflichten zum Schadensersatz verpflichtet sein (Bachmann, ZGR 2018, 231, (249)).

Neben der zivilrechtlichen Haftung kommt im Fall einer Verletzung von ESG-Pflichten durch die Zielgesellschaft auch ein behördliches Bußgeld in Betracht. Das LkSG sieht hierzu vor, dass Verstöße gegen die neuen ESG-Sorgfaltspflichten eine Ordnungswidrigkeit darstellen, wobei ein Bußgeldrahmen von bis zu zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes vorgesehen ist. Dies gilt zumindest für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als EUR 400 Millionen. Für Unternehmen mit einem unter diesem Schwellenwert liegenden Umsatz sind jedoch auch Bußgelder bis zu EUR 800.000 möglich. Neben der zivilrechtlichen Außenhaftung besteht damit für Unternehmen mit unzureichender ESG-Compliance ein weiteres empfindliches Sanktionsszenario.

Es bleibt abzuwarten, ob es eine Welle von Klagen in Sachen ESG und insbesondere eine Welle von Verbandsklagen oder Class Actions in Deutschland geben wird. Die RDS-Entscheidung lässt zum Beispiel auch eine Auseinandersetzung mit der Business Judgement Rule vermissen, die aber bei der Frage ob und für welchen Zeitraum Unternehmen und ihre Leiter evtl. mit Ansprüchen rechnen müssen, vor deutschen Gerichten eine wichtige Rolle spielen wird.