Versprechen die AVB einer D&O-Versicherung (hier: § 2 AVB-O) dem Versicherten Versicherungsschutz für den Fall seiner Inanspruchnahme wegen einer Pflichtverletzung „bei Ausübung der versicherten Tätigkeit“, besteht Versicherungsschutz nicht bereits dann, wenn der Schaden bei Gelegenheit der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist. Es bedarf vielmehr eines unmittelbaren inneren und äußeren Zusammenhangs zwischen der vom Versicherten ausgeübten Tätigkeit und der pflichtwidrigen schadensverursachenden Handlung. (redaktioneller Leitsatz)
- Demgemäß besteht kein Versicherungsschutz für Pflichtverletzungen des Versicherten gegenüber der Versicherungsnehmerin anlässlich solcher Handlungen, die nur im wirtschaftlichen Eigeninteresse des Versicherten liegen und auf eine Schädigung der Versicherungsnehmerin gerichtet sind (hier: Abwerbung von Fachpersonal der Versicherungsnehmerin im Zusammenhang mit der Planung und Vorbereitung der Gründung eines Konkurrenzunternehmens). (redaktioneller Leitsatz)
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OLG München, Urteil vom 13.09.2017 (7 U 4126/13)
Zum Sachverhalt: U.a. haben zwei ehemalige Vorstände Fachpersonal der Versicherungsnehmerin abgeworben und werden dafür von der Versicherungsnehmerin in Anspruch genommen. Der D&O-Versicherer verneint Versicherungsschutz mit dem Argument, das Abwerben wäre nicht als „Ausübung der versicherten Tätigkeit“ (so die Definition des Versicherungsschutzes) zu qualifizieren, sondern nur „bei Gelegenheit“ erfolgt, was den D&O-Deckungsschutz nicht auslöse.
Anmerkungen:
Das Urteil wird wieder viele Fragen zum D&O-Versicherungsschutz aufwerfen, vor allem wird damit das Bedürfnis nach einer klaren Abgrenzung zwischen Tätigkeiten, die bei Gelegenheit erfolgen und wann nicht, nur schwer zu erfüllen sein, da hier der Einzelfall maßgeblich ist. Grauzonen wird es dabei immer geben.
Außer Frage steht, dass die versicherten Personen, die Fachpersonal abwerben, im Ergebnis keinen D&O-Versicherungsschutz erhalten. Letztlich haften die in Rede stehenden Vorstände aber nach den Regeln der Organhaftung und in ihrer Funktion, die sie im Unternehmen ausüben. Wenn dies der Fall ist, sollte auch die D&O-Versicherung grundsätzlich Versicherungsschutz geben – unabhängig davon, ob die Tätigkeit gelegentlich erfolgt oder nicht. Versagungsgrund sollte aber der Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung sein. Natürlich ist dies alles auch eine Frage der Beweislast und so gesehen auch verständlich, wenn der Versicherer bereits bei der Frage, ob der Versicherungsfall eingetreten ist (hierfür ist die versicherte Person beweisbelastet) und nicht erst bei den Ausschlüssen, Versicherungsschutz verneint. Für die Praxis sorgt das Urteil in diesem Punkt aber für mehr Verwirrung, als dass es für Klarheit sorgt.
Von besonderem Interesse ist insofern auch die jüngste Rechtsprechung vom OLG Frankfurt zum D&O-Versicherungsschutz. In seinem Urteil vom 17.03.2021 (7 U 33/19) setzte sich das OLG mit der Rechtsprechung der Münchner Kollegen auseinander und urteile wie folgt:
Überdies überzeugt die Argumentation des Oberlandesgerichts München nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob es sich – wie das Oberlandesgericht München angenommen hat – bei der Formulierung „beiAusübung der versicherten Tätigkeit“ um einen feststehenden Begriff der Rechtssprache handelt, da diese Formulierung keinen Eingang in Gesetz gefunden hat. Soweit dies doch der Fall ist, handelt es sich nicht um einen feststehenden Begriff, weil seine Bedeutung immer nur im Sinnzusammenhang mit der Vorschrift ermittelt werden kann.
Der vom Oberlandesgericht München vorgenommene Schluss von der Verwendung der Formulierung in Art. 34 Satz 1
GG bzw. § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt nicht in Betracht, da eine Bezugnahme auf diese Regelungen für den
durchschnittlichen Versicherungsnehmer in der D&O-Versicherung nicht erkennbar sein dürfte (Koch, Auslegung des
Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung bei Ausübung der versicherten Tätigkeit“ im Rahmen der D&O-Versicherung,
in: ZIP 2018, S. 301 ff.).