Mit Betriebsschließungsversicherungen können Ertragsausfälle versichert werden, die dadurch entstehen, dass die zuständige Behörde auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb schließt, den Beschäftigten ihre Tätigkeit untersagt oder die Desinfektion der Betriebsräume anordnet. Damit werden grundsätzlich auch Epidemien und Pandemien vom Versicherungsschutz erfasst. Einige Versicherer haben auch neu hinzukommende Viren ausdrücklich mitversichert. Die meisten Versicherungen nutzten aber die Standard-GDV-Bedingungen, die eine Auflistung der versicherten Risiken einschließlich der Pandemie-auslösenden Viren enthalten.
Einige Versicherer haben bereits erklärt, dass sie leistungsfrei seien, weil das Corona-Virus (COVID-19 bzw. der Virus SARS-CoV-2) schließlich neu und nicht ausdrücklich in den Versicherungsbedingungen genannt werde.
Es stellt sich nun die Frage, ob der Katalog der aufgelisteten Risiken eine abschließende Wirkung hat. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH zunächst so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGH, Urteil vom 23.06.1993, Az. IV ZR 135/92).
Auch stellt sich die Frage, ob derartige Versicherungsbedingungen einer AGB-rechtlichen Überprüfung standhalten. AVB unterliegen der Klauselkontrolle nach dem AGB-Recht (§§305 ff. BGB). Als Konsequenz können Klauseln in den AVB, die die Gegenpartei überraschen (§305c Abs. 1 BGB) oder unangemessen benachteiligen (§307 Abs. 1 BGB), unwirksam sein. Und hierbei ist auch die Motivationslage des Versicherungsnehmers bei Abschluss einer solchen Versicherung zu berücksichtigen. Vordergründig wollte das Unternehmen Versicherungsschutz für den Fall, dass sein zu versichernder Betrieb durch eine Behörde auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger geschlossen wird. Wollte es denn nur Versicherungsschutz für bereits bekannte, aufgelistete Viren, die zu einer Schließung führen oder generell für das abstrakte Risiko „Schließung aufgrund des IFSG“? Wohlmöglich hatte damit für den Versicherungsnehmer der Katalog von aufgelisteten Auslöser nur eine klarstellende, aber keine abschließende Wirkung. Wie so oft, ist die Bewertung immer auch eine Betrachtung des Einzelfalls und der jeweiligen Versicherungsbedingungen.

Update:
LG Mannheim, Urteil vom 29.04.2020, Az. 11 O 66/20, schließt sich der obigen Rechtsauffassung an. Aus den Urteilsgründen:

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Bei dieser Auslegung könnte die Formulierung „die in §§ 6, 7 IfSG namentlich genanntenKrankheiten und Krankheitserreger“ entweder eine statische Verweisung auf die bei Vertragsschluss in diesen Normen aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger bedeuten oder im Sinne einer dynamischen Verweisung letztlich alle – auch bei nachträglichen Gesetzesänderungen – unter diese Vorschriften fallenden meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger umfassen. Für die letztgenannte Auslegung spricht, dass in diesen Bedingungen gerade keine enumerative Aufzählung von verschiedenen Erregern beziehungsweise Krankheiten erfolgte, sondern die §§ 6, 7 IfSG in Bezug genommen werden. In § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG findet sich jedoch eine generalklauselartige Formulierung,dass auch nicht nach den Nummern 1 bis 4 bereits meldepflichtigen bedrohliche übertragbare Krankheiten zu melden sind. Selbst der verständige Versicherungsnehmer dür-te in einem solchen Fall davon ausgehen, dass alle unter die §§ 6 und 7 IfSG fallendenErreger und Krankheiten Grundlage der Betriebsschließung sein können. Erst recht wird er davon ausgehen, dass spätere Änderungen dieser Normen auf den Vertrag Anwendung finden. Das liegt auch im Interesse des Versicherers, da nicht ausgeschlossen ist, dass bestimmte Krankheiten aus diesem Gesetz zukünftig wieder herausgenommen werden. Gegen eine weite Auslegung spricht zwar das Interesse des Versicherers, die Auflistung nur auf bekannte Erreger und Krankheiten, gegen die bereits Medikamente undImpfstoffe zur Verfügung stehen, erstrecken zu wollen, nicht jedoch auf die bei Vertrags-schluss unbekannten Erreger, um das Risiko im erträglichen Rahmen zu halten. Dem kann vorliegend indes nicht das entscheidende Gewicht beigemessen werden, da der Versicherer es selbst in der Hand hat, einen enumerativen Katalog an Erregern aufzunehmen. Die Verweisung greift aus Sicht der Kammer auch in dem vorliegenden Fall, obwohl bislang keine Änderung des enumerativen Katalogs der §§ 6, 7 IfSG vorgenommen wurde, sondern diese um das SARS-Corona-Virus imWege einer Rechtsverordnung nach § 15 Abs. 1 IfSG erweitert wurden. Diese Erweiterung ist speziell durch die Generalklauseln des § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG und § 7 Abs. 2 IfSG vom Infektionsschutzgesetz vorgesehen und daher von der dynamischen Bezugnahmeumfasst.

Ferner hält die Kammer im vorliegenden Fall eine Betriebsschließung gemäß § 5 Nr. 1 der … Bedingungen 2010 der drei streitgegenständlichen Hotels für gegeben. Die gebotene Auslegung der Klausel führt zu dem Ergebnis, dass faktische Betriebsschließungenvon ihr umfasst sein sollen. Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass der Wortlaut gerade von einer behördlich angeordneten Schließung des Betriebs spricht und durch die in Berlin und Hamburg mittels Rechtsverordnung und Allgemeinverfügung getroffenen Regelungen lediglich touristische Übernachtungen untersagt wurden, was den weiteren Hotelbetrieb für Geschäftsreisende grundsätzlich gestattet. Unstreitig sind Buchungen von Geschäftsreisen in den Hotels der Verfügungsklägerin derzeit noch möglich. Dennoch stellt sich die aktuelle Situation so dar, dass diese Beschränkung des Hotelbetriebs sich wie eine faktische Schließung auswirkt.

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