In mehrköpfigen Geschäftsführungen oder Vorständen ist es üblich, eine Ressortverteilung vorzunehmen. Dabei wird jedes Mitglied für bestimmte Unternehmensbereiche verantwortlich gemacht. Diese Praxis wirft haftungsrechtliche Fragen auf: Wann darf ein Geschäftsführer oder Vorstand auf die ordnungsgemäße Arbeit seiner Kollegen vertrauen – und wann muss er eingreifen? Der sogenannte Vertrauensgrundsatz spielt dabei eine zentrale Rolle. Doch es gibt klare Grenzen. Dieser Beitrag zeigt auf, wann eine Ressortverteilung haftungsreduzierend wirkt – und wann sie es gerade nicht tut.
Ressortverteilung und Gesamtverantwortung
Zivilrechtlich anerkannt ist, dass durch eine zulässige Ressortverteilung innerhalb der Geschäftsführung die primäre Verantwortung für einen Bereich auf das zuständige Mitglied übergeht. Dies gilt sowohl in der GmbH (§ 43 GmbHG) als auch in der AG (§ 76 AktG).
Dabei besteht jedoch keine völlige Entbindung der übrigen Mitglieder von der Verantwortung. Vielmehr bleibt die Grundverantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsführung bestehen. Aus dieser folgt insbesondere eine Überwachungs- und Eingreifpflicht bei Fehlentwicklungen oder Pflichtverletzungen in anderen Ressorts.
Der Vertrauensgrundsatz – Wann ist Vertrauen erlaubt?
Die Rechtsprechung erkennt an, dass bei funktionierender Ressortverteilung ein Geschäftsführer oder Vorstand grundsätzlich auf die ordnungsgemäße Arbeit seines Kollegen vertrauen darf – bis Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen bestehen.
Dies wurde vom BGH (Urteil vom 6.11.2018 – II ZR 11/17) ausdrücklich klargestellt. Der BGH stellt fest:
Bei einer ordnungsgemäßen Ressortverteilung kann ein Geschäftsleiter regelmäßig darauf vertrauen, dass der Ressortverantwortliche seine Pflichten erfüllt.
Die Voraussetzung dafür ist allerdings:
- Klare, dokumentierte und organisatorisch durchgesetzte Ressortverteilung,
- persönliche Eignung des Ressortleiters,
- regelmäßige Information und Kommunikation,
- kein Anlass zur Sorge bezüglich der Ressortausübung.
Solange diese Bedingungen erfüllt sind, ist der Vertrauensgrundsatz ein haftungsbegrenzendes Prinzip.
Grenzen des Vertrauens – Pflicht zum Einschreiten bei Problemen
Sobald objektive Hinweise auf Fehlverhalten oder Kontrollverlust im fremden Ressort vorliegen, endet der Vertrauensschutz. Dann muss jedes Mitglied der Geschäftsführung oder des Vorstands tätig werden. Diese Pflicht zum Einschreiten wurde unter anderen in mehreren Urteilen konkretisiert:
- BGH, Urteil vom 6.10.1996 – II ZR 6/96 (BGHZ 133, 370, 378 f.)
Der BGH betont, dass ein Geschäftsführer, der Hinweise auf Missstände erhält, verpflichtet ist, sich zu informieren und bei Bedarf einzuschreiten. Unterlässt er dies, kann er persönlich haften. Der Vertrauensgrundsatz greift dann nicht mehr. - BGH, Beschluss vom 10.03.2015 – II ZR 162/14 (NZG 2015, 792 Rn. 27)
Auch bei ordnungsgemäßer Ressortverteilung besteht eine Pflicht zur Kontrolle und zum Einschreiten, wenn „konkrete Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen bestehen“. Es genügt nicht, auf eine abstrakte Zuständigkeit zu verweisen – die Geschäftsleiter müssen aktiv werden. - OLG Hamburg, Urteil vom 24.10.2000 – 11 U 97/00 (AG 2001, 141, 144)
Hier wurde klargestellt, dass die Übertragung von Aufgaben im Rahmen einer Ressortverteilung keine Entbindung von der Verantwortung darstellt, wenn Kontrollmechanismen versagen oder nicht genutzt werden.
Fazit
Der Vertrauensgrundsatz schützt Geschäftsführer und Vorstände, solange sie keine Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen oder Kontrollversagen haben. Er baut auf einer klaren, dokumentierten Ressortverteilung auf – ergänzt durch regelmäßige Kommunikation und ein Mindestmaß an Kontrolle.
Sobald aber konkrete Hinweise auf Fehlentwicklungen bestehen, endet das Vertrauen – und eine aktive Überwachung und gegebenenfalls ein Einschreiten werden Pflicht. Geschieht dies nicht, kann die Ressortverteilung nicht vor einer Haftung schützen.
Praktische Empfehlungen
- Ressortverteilungen stets schriftlich dokumentieren und im Organ beschließen.
- Regelmäßige gegenseitige Unterrichtungspflichten vertraglich oder organisatorisch festlegen.
- Frühzeitig bei Auffälligkeiten handeln – Untätigkeit kann haftungsauslösend sein.
- Gerade in sensiblen Bereichen (z. B. Finanzen, Steuern, Compliance) regelmäßig eigene Prüfungen durchführen oder Berichtspflichten verstärken.
s.a.: link