Größere Schadensfälle in der Sachversicherung führen häufig dazu, dass zur Feststellung der Schadensursache oder der Schadenshöhe (Privat-)Gutachten eingeholt werden müssen. Oft wird dann ein Ausweg im sogenannten Sachverständigenverfahren nach § 84 VVG gesucht, das zur kurzfristigen Klärung von Schadensfragen hilfreich sein kann. Dabei sind jedoch – nicht nur hinsichtlich des Kostenrisikos – einige Besonderheiten zu beachten.

Die Begutachtung eines Schadens durch den Versicherer erfolgt heute in den meisten Fällen durch externe Dienstleister. Dass eigene Mitarbeitende zur Schadenfeststellung vor Ort sind, ist auch aufgrund knapper Personalressourcen und fehlendem Spezial-Know-how bei den Versicherern eher die Ausnahme geworden. Externe Dienstleister fungieren dann als sogenannte „Loss Adjuster“ (Schadensregulierer). Viele Versicherungsnehmer übersehen beim Erstkontakt, dass diese Gutachter eben nur im Auftrag des Versicherers unterwegs sind, quasi als dessen verlängerter Arm.

Ablauf des Sachverständigenverfahrens
Ist der Versicherungsnehmer mit der Schadenregulierung des Versicherers nicht zufrieden, kann er ein Sachverständigenverfahren nach § 84 VVG einleiten. Danach kann der Versicherungsnehmer durch einseitige Erklärung gegenüber dem Versicherer verlangen, dass die Höhe des Schadens im Sachverständigenverfahren festgestellt wird. Der Versicherer seinerseits darf dieses Verfahren nur mit Zustimmung des Versicherungsnehmers in die Wege leiten. Soweit die Allgemeinen Versicherungsbedingungen nichts anderes vorsehen, wird das Verfahren dadurch eingeleitet, dass jede Partei einen Sachverständigen benennt. Vor der Einleitung ist jedoch zu beachten, dass das Sachverständigenverfahren nur dann gerichtlich überprüfbar ist, wenn eine erhebliche Abweichung von der richtigen Rechtslage vorliegt. Ansonsten ist der Versicherungsnehmer an die im Verfahren getroffenen Feststellungen gebunden.

Auf Seiten des Versicherers wird in der Regel der bisherige Schadenregulierer auch der Sachverständige sein. Zudem wird von den beiden Sachverständigen ein sogenannter Obmann ernannt. Die Sachverständigen müssen sich unmittelbar nach ihrer eigenen Bestellung und vor jeder Tätigkeit im Rahmen des ihnen übertragenen Auftrags auf einen Obmann einigen. In der Gestaltung des Sachverständigenverfahrens sind die Sachverständigen grundsätzlich frei.

Wenn alle Beteiligten (Versicherer, Versicherungsnehmer und Sachverständige) in der Durchführung eines Sachverständigenverfahrens erfahren sind und eigene Interessen zurückstellen, kann ein Sachverständigenverfahren wesentlich schneller als ein ordentliches Gerichtsverfahren eine Antwort auf eine strittige Frage (zum Beispiel die Höhe eines Versicherungsanspruchs) liefern.

Zweifel an der Unabhängigkeit des Sachverständigen
Allerdings bietet das Sachverständigenverfahren mangels differenzierter Regelungen (wie etwa die Verfahrensvorschriften der ZPO für die Durchführung eines ordentlichen Gerichtsverfahrens) zahlreiche Möglichkeiten der unzulässigen Einflussnahme auf den Sachverständigen. So wird dem Sachverständigen des Versicherers häufig vorgeworfen, ein regelmäßig vom Versicherer beauftragter Sachverständiger werde eine Gutachtenfrage nicht objektiv und ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen des Versicherers beantworten. Einen bereits ernannten Sachverständigen aus diesem Grund abzulehnen, ist jedoch nur bedingt möglich. Vielfach wird die Auffassung vertreten, dass auch im außergerichtlichen versicherungsrechtlichen Sachverständigenverfahren die Ablehnung eines Sachverständigen analog § 1036 ZPO möglich sein soll. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass begründete Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Sachverständigen bestehen.

In einem ordentlichen Gerichtsverfahren besteht diese Befürchtung aufgrund der Verfahrensleitung durch den unparteiischen gesetzlichen Richter und der gesetzlichen Verfahrensvorschriften in der Regel nicht. Die Akzeptanz einer gerichtlichen Entscheidung ist daher in der Regel höher als bei einem außergerichtlichen Sachverständigenverfahren.

Kosten des Sachverständigenverfahrens
Die verschiedenen Versicherungsbedingungen sehen zwar in vielen Punkten die gleichen Verfahrensabschnitte vor. Es gibt aber auch Unterschiede. So werden zum Beispiel die Kosten des Sachverständigenverfahrens in der Regel so aufgeteilt, dass jede Partei die Kosten ihres Sachverständigen voll und die Kosten des Obmanns zur Hälfte trägt (zum Beispiel § 10 Nr. 6 AMoB). Dies gilt unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Es gibt aber auch – meist in Maklerbedingungen – vertragliche Regelungen, wonach der Versicherer auch die Kosten des Versicherungsnehmers vollständig übernimmt.

Auch über die Klausel PK 7365 können zum Beispiel in der Wohngebäudeversicherung die vom Versicherungsnehmer zu tragenden Sachverständigenkosten mitversichert werden, wenn der entschädigungspflichtige Schaden die zwischen den Parteien vereinbarte Höhe übersteigt: „Soweit der entschädigungspflichtige Schaden in seiner Höhe EUR 25.000 übersteigt, ersetzt der Versicherer die durch den Versicherungsnehmer gemäß § 30 Nr. 5. VGB 2000 zu tragenden Kosten des Sachverständigenverfahrens“.

Derartige Regelungen tragen damit den grundsätzlichen Bedenken Rechnung, dass der Versicherungsnehmer die Kosten seines Sachverständigen und die Hälfte der Kosten des Ombudsmanns auch dann zu tragen hat, wenn seine Auffassung durch die Feststellungen in vollem Umfang bestätigt wird. Da er sich aber freiwillig in diese Situation begeben hat, dürfte die Regelung bei objektiver Betrachtung nicht als unangemessen anzusehen sein. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer vor Einleitung des Verfahrens auf die Kostenfolge hinzuweisen hat (W. Schneider/Droll, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 35 Rz. 56).

Die Mitwirkung von Rechtsanwälten im Sachverständigenverfahren ist zwar sinnvoll, aber nicht – wie in einigen Instanzen vor den ordentlichen Gerichten – gesetzlich vorgeschrieben. Dadurch kann ein Sachverständigenverfahren grundsätzlich kostengünstiger sein als ein Gerichtsverfahren, das zudem Gerichtskosten auslöst. Allerdings verbleibt im Sachverständigenverfahren eine nicht unerhebliche Kostenposition beim Versicherungsnehmer, da er in der Regel auch im Falle des „Obsiegens“ seinen Anteil (eigener Sachverständiger und hälftige Kosten für einen Ombudsmann) selbst zu tragen hat.

Fazit
Das versicherungsrechtliche Sachverständigenverfahren kann zur kurzfristigen Klärung wesentlicher Schadensfragen sehr hilfreich und unter Umständen kostengünstiger als ein Gerichtsverfahren sein. Gleichzeitig kann das Sachverständigenverfahren aber auch Kosten verursachen, die der Versicherungsnehmer bei einem Obsiegen im Gerichtsverfahren nicht zu tragen hätte. Außerdem kann das Sachverständigenverfahren zu Feststellungen führen, die später gerichtlich nicht mehr angegriffen werden können.

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