Die vage gehaltene Ausschlussklausel einer Auslandskrankenversicherung „bei einem bereits vorher bekannten medizinischen Zustand“ verstößt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und ist daher unwirksam. Der 4. Senat des BGH hatte sich in seiner jüngsten Entscheidung (Urteil vom 10.7.2024 – IV ZR 129/23) erneut mit der Frage zu befassen, wie konkret Ausschlussklauseln bei Versicherungsverträgen formuliert sein müssen.
Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Bei einer den Versicherungsschutz einschränkenden Ausschlussklausel müssen dem Versicherungsnehmer die damit verbundenen Nachteile und Belastungen, soweit nach den Umständen möglich, so verdeutlicht werden, dass er den danach noch bestehenden Umfang der Versicherung erkennen kann (BGH, Urteil vom 8.5.2013 – IV ZR 174/12, Rn. 8 m.w.N.). Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist (Urteil vom 11.10.2023 aaO m.w.N.). Liegt ein Gruppenversicherungsvertrag vor, so kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2014 – IV ZR 289/13, Rn. 22 m.w.N.)
Laut BGH kann der durchschnittliche Versicherte aus der vagen Formulierung „bei einem bereits vorher bekannten medizinischen Zustand“ nicht hinreichend klar entnehmen, wann die Leistungspflicht der Versicherung ausgeschlossen sein soll. Zum einen bleibe schon unklar, welche Krankheiten konkret zu einem Leistungsausschluss führen sollen. Die Klausel nannte lediglich eine Reihe nicht abschließender Beispiele, etwa wenn eine Person während der letzten zwölf Monate einen Krankenhausaufenthalt hatte oder die Diagnose „unheilbar“ oder „chronisch“ erhalten hat. Diese Beispiele ließen aber keine einheitlichen Kriterien erkennen, wie etwa die Dauer oder Schwere der Krankheit. So werde dem Versicherten nicht ermöglicht, zu verstehen, welche Zustände vergleichbar sein und damit auch zum Ausschluss der Leistungen führen könnten.
Ferner wird laut BGH nicht deutlich, in welchem Umfang der Versicherungsschutz ausgeschlossen werden soll. Der Versicherte könne anhand des Wortlauts der Regelung zum Beispiel nicht erkennen, ob die Leistung für eine Behandlung wegen der fraglichen Vorerkrankung ausgeschlossen ist oder auch für eine während der Reise auftretende Krankheit, die erst durch die Vorerkrankung verursacht wurde.
Die Entscheidung könnte auch für D&O-Versicherungen von besonderem Interesse sein, weil einige D&O-Versicherungsbedingungen ebenfalls bekannte Sachverhalte (hier: Pflichtverletzungen) ausschließen:
Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht auf versicherte Ereignisse wegen vor Vertragsbeginn begangener Pflichtverletzungen, sofern die jeweils betroffene versicherte Person von der Pflichtverletzung bis zum Abschluss dieses Vertrages Kenntnis hatte.
Auch in dieser Ausschlussklausel kann man unklare Aspekte im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB erkennen. Im Unterschied zu der streitgegenständlichen Klausel wollen D&O-Versicherer aber rigoros bekannte Pflichtverletzungen ausschließen. Allerdings ist die Formulierung derartig weit gefasst, dass kein durchschnittlicher Versicherter erkennen kann, welche Sachverhalte erfasst sein sollen und welche nicht. Wahrscheinlich ist auch an dieser Stelle die erste, explizite Rechtsprechung zur D&O-Versicherung abzuwarten, um diesbezüglich Klarheit zu erhalten.