Schafft Deckung Haftung?
Asset Protection Strategien – eine funktionierende Alternative?

In der komplexen Welt der Unternehmensführung spielt die Directors-and-Officers-Versicherung (D&O) eine zunehmend wichtige, aber mitunter auch kontroverse Rolle. Der Beitrag beleuchtet kritisch, wie D&O-Versicherungen nicht nur Schutz bieten, sondern paradoxerweise auch Haftungsprozesse fördern können und welche Risiken trotz (vermeintlichem) Versicherungsschutz für Manager bestehen bleiben. Im weiteren Teil des Beitrags stehen die Maßnahmen für den Fall im Vordergrund, die bei hohen Schadensummen und unzureichendem Versicherungsschutz auf der Hand liegen: Präventive Asset-Protection-Strategien und schlussendlich die Flucht in die Privatinsolvenz.

DIE DOPPELTE NATUR DER D&O-VERSICHERUNG

Schutzfunktion
Ursprünglich konzipiert, um Führungskräfte vor den finanziellen Folgen von Haftungsansprüchen zu schützen, übernimmt die D&O-Versicherung folgende Aufgaben:

  • die Abwehr unberechtigter Ansprüche (passive Rechtsschutzfunktion)
  • die Befriedigung berechtigter Ansprüche (Freistellungsfunktion).

Prozessfördernde Wirkung
Paradoxerweise kann die bloße Existenz einer D&O-Versicherung Haftungsprozesse nach dem Motto „Deckung schafft Haftung” begünstigen, die ohne sie möglicherweise unterblieben wären. Gründe hierfür sind:

  • Erhöhte Attraktivität von Schadensersatzansprüchen: Das Wissen um einen bestehenden Versicherungsschutz kann potenzielle Anspruchsteller (zum Beispiel Unternehmen, Insolvenzverwalter) dazu ermutigen, Ansprüche geltend zu machen, da die Aussicht auf Schadenersatz realistischer erscheint.
  • Reduzierte Hemmschwelle: Potenzielle Anspruchsteller könnten eher bereit sein, gegen (ehemalige) Führungskräfte vorzugehen, wenn sie wissen, dass letztlich die Versicherung für etwaige Schäden aufkommt.
  • „Deep Pocket“-Effekt: Die Versicherungsgesellschaft wird oft als finanzkräftiger Gegner wahrgenommen, was zu höheren Schadenersatzforderungen führen kann.

RECHTLICHE GRUNDLAGEN UND IHRE AUSWIRKUNGEN

Managerhaftung nach deutschem Recht
Nach § 93 AktG und § 43 GmbHG sind Vorstände und Geschäftsführer zur sorgfältigen Geschäftsführung verpflichtet. Bei Pflichtverletzungen haften sie persönlich und unbegrenzt. Bei entsprechend hohen Schadenersatzansprüchen schwingt daher bei einem Haftungsfall auch immer das Risiko einer Privatinsolvenz mit, wenn das private Vermögen – was (leider) häufig der Fall ist – zur Begleichung der Schuld nicht ausreicht.

Deckungsrechtliche Vorprüfungen
Der Grundsatz „Deckung schafft Haftung“ ist zwar verpönt, aber in der D&O-Schadenpraxis teilweise nicht von der Hand zu weisen. Nicht selten entspricht der geltend gemachte Schadenersatzanspruch im Innenhaftungsfall der gesamten Versicherungssumme, die das Unternehmen und mitunter auch der vom Manager selbst über eine persönliche D&O-Versicherung eingekauft haben. Dies ist auch dem Umstand geschuldet, dass die Gesellschaft, insbesondere ein Aufsichtsrat, oder auch der Insolvenzverwalter zu prüfen hat, ob und in welcher Höhe Schadensersatzansprüche durchsetzbar sind. Ein entscheidendes Kriterium hierfür ist in vielen Fällen gerade das Bestehen eines entsprechenden Versicherungsschutzes.

Bereits bei der (gerichtlichen) Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist daher vorab zu prüfen, ob die vertraglichen Voraussetzungen für einen D&O-Versicherungsschutz vorliegen – auch um nicht selbst als Aufsichtsorgan eine Pflichtverletzung zu begehen. Dies gilt im Übrigen auch für Insolvenzverwalter bei der Verfolgung von Ansprüchen der Massegläubiger.

Das Damoklesschwert der persönlichen Haftung
Trotz hoher Versicherungssummen bleiben erhebliche persönliche Risiken für Manager bestehen:

  • Deckungsablehnung: Verweigert die Versicherung die Leistung (zum Beispiel bei Vorsatz oder wissentlicher Pflichtverletzung oder Anfechtung des Versicherungsvertrags), haftet der Manager persönlich in voller Höhe.
  • Unzureichende Deckungssumme: Übersteigt der Schaden die Versicherungssumme, haftet der Manager für den übersteigenden Betrag persönlich und unbegrenzt. Reicht das Privatvermögen des Managers nicht aus, um den Schaden zu decken, droht die Privatinsolvenz. Dies kann lebenslange finanzielle und berufliche Konsequenzen haben.

ZWISCHENFAZIT
Die oben dargestellten Risiken machen deutlich, dass die D&O-Versicherung des Unternehmens nicht immer einen ausreichenden Schutz bietet und die persönliche Haftung des Managers nicht vollständig kompensiert. Eine ergänzende persönliche D&O-Versicherung für Führungskräfte ist sinnvoll, aber selbst diese reicht – wie die Schadenpraxis leider immer wieder zeigt – oft nicht aus, um das Privatvermögen der Manager umfassend zu schützen.

PRIVATINSOLVENZ ALS RETTUNGSANKER?
Wenn die D&O-Versicherung und andere Vermögensmassen den im Raum stehenden erheblichen Schaden nicht vollständig abdecken, bleibt oft nur der Weg in die Privatinsolvenz. Aufgrund der Insolvenzrechtsreform beträgt die Dauer der Privatinsolvenz beziehungsweise des anschließenden Restschuldbefreiungsverfahrens ab 2024 nur noch drei Jahre. Wird die Restschuldbefreiung jedoch versagt, leben alle Verbindlichkeiten wieder auf und die Gläubiger können diese wieder direkt und unmittelbar gegen den betroffenen Schuldner geltend machen. Die Restschuldbefreiung kann zum Beispiel versagt werden, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Insolvenzantrag unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen für Luxusausgaben verschwendet hat. Ist der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Insolvenzantrag (oder danach) wegen einer sogenannten Insolvenzstraftat zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden, kann ihm die Restschuldbefreiung auf entsprechenden Antrag eines Gläubigers ebenfalls versagt werden.

Erschwerend hinzu kommt, dass eine rechtskräftige Versagung der Restschuldbefreiung in vielen Fällen Sperrfristen von drei oder sogar fünf Jahren auslöst, bevor ein erneutes Insolvenz- beziehungsweise Restschuldbefreiungsverfahren beantragt werden kann. Es ist daher absehbar, dass der Schuldner nach Versagung der Restschuldbefreiung über Jahre hinweg (erneut) mit Zahlungsaufforderungen, Zwangsvollstreckungen und Pfändungen konfrontiert sein wird. Für den Schuldner, der sich mit dem Insolvenzverfahren einen wirtschaftlichen Neuanfang erhofft hatte, stellt die Versagung daher einen Super-GAU dar.

PRÄVENTIVE ASSET PROTECTION UND GRENZEN
Da ein Schadenfall häufig von Anfang mit dem Risiko einer Privatinsolvenz einhergeht, können Manager versucht sein, ihr Vermögen frühzeitig durch sogenannte Asset Protection-Strategien zu schützen. Diese Praktiken zielen darauf ab, Vermögenswerte vor dem Zugriff potenzieller Gläubiger zu bewahren. Solche Maßnahmen sind jedoch oft rechtlich problematisch und können daher leicht scheitern. Eine professionelle Beratung ist daher dringend zu empfehlen.

Beispiele für Asset Protection-Strategien

  • Übertragung von Vermögenswerten: Häufig wird versucht, Immobilien, Wertpapiere oder andere Vermögenswerte auf Ehepartner oder Kinder zu übertragen.
  • Gründung von Stiftungen oder Trusts: Insbesondere in Offshore-Jurisdiktionen können Strukturen geschaffen werden, die das Vermögen vermeintlich dem Zugriff entziehen.
  • Investitionen in schwer pfändbare Vermögenswerte: Teilweise werden auch Kunstwerke oder wertvolle Oldtimer erworben, in der Hoffnung, dass diese schwerer zu verwerten sind.
  • Vermögensverschiebung: Durch Transfers auf ausländische Konten oder Investitionen in ausländische Immobilien wird versucht, den Zugriff zu erschweren.

Befugnisse des Insolvenzverwalters
Oft führen die oben genannten Strategien jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis. Denn Insolvenzverwalter haben weitreichende Befugnisse, um auf verlagerte Vermögenswerte zuzugreifen:

  • Schenkungsanfechtung: § 134 InsO begründet die sogenannte Schenkungsanfechtung beziehungsweise die Rückforderungsmöglichkeit bei Erhalt einer unentgeltlichen oder teilweise unentgeltlichen Leistung bis zu 4 Jahre rückwirkend ab Insolvenzantragstellung. Die Auslösung dieses Anfechtungstatbestands beschränkt sich dabei nicht nur auf die Schenkung. Eine Anfechtung nach § 134 InsO droht in allen Fällen, in denen Leistung und Gegenleistung zum Nachteil des Schuldners wertmäßig abweichen.
  • Vorsatzanfechtung: Besonders relevant ist § 133 InsO, der die Anfechtung von Rechtshandlungen ermöglicht, die mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung vorgenommen wurden. Die Frist hierfür beträgt sogar zehn Jahre. Erhält ein Gläubiger aber eine kongruente Leistung, also genau das, was vertraglich geschuldet war, ist diese nur anfechtbar, wenn der Schuldner zahlungsunfähig war und der Anfechtungsgegner diese Zahlungsunfähigkeit kannte. Die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung reicht in diesem Fall „nur“ 4 Jahre zurück (§ 133 Abs. 2 InsO).
    Zu beachten ist aber, dass vorsätzliche Vermögensverschiebungen auch den Tatbestand des Bankrotts (§ 283 StGB) erfüllen können.
  • Durchgriffshaftung: Bei Stiftungen oder Trusts kann unter Umständen eine Durchgriffshaftung geltend gemacht werden, wenn diese nur zum Schein errichtet wurden.
  • Internationale Zusammenarbeit: Durch verbesserte internationale Rechtshilfe und Abkommen wird es zunehmend schwieriger, Vermögen im Ausland zu verstecken.

Die genannten Möglichkeiten des Insolvenzverwalters machen deutlich, dass Asset Protection-Strategien oft nur eine Scheinsicherheit bieten.

FAZIT

Die D&O-Versicherung bietet nicht nur Schutz, sondern kann auch Haftungsprozesse begünstigen. Während sie einerseits eine notwendige Absicherung für Führungskräfte darstellt, kann sie andererseits zu einer erhöhten „Klagebereitschaft“ führen. Zudem bleibt  das Risiko des persönlichen finanziellen Ruins trotzdem bestehen.

Für Manager ist es daher essenziell, die D&O-Versicherung als Teil eines komplexen Risikoumfelds zu betrachten. Sie sollte als zusätzliches Element verstanden werden, das die persönliche Haftung begrenzt, aber nicht unbedingt vollständig ersetzt. Führungskräfte müssen sich bewusst sein, dass trotz des Versicherungsschutzes erhebliche persönliche Risiken verbleiben, die im schlimmsten Fall dennoch zur Privatinsolvenz führen können.

Die Versuchung, in solchen Situationen auf Asset Protection-Strategien zurückzugreifen, kann die Lage noch verschärfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn keine professionelle Beratung in Anspruch genommen wird. Die weitreichenden Befugnisse des Insolvenzverwalters erschweren die Umsetzung etwaiger Asset Protection-Strategien. Umgekehrt können aber frühzeitig eingeleitete Maßnahmen durchaus ihre Wirkung entfalten.